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Neue Kühlmethode bringt quantenchemische Experimente ins Labor

Das Projekt QuCC hat mithilfe eines neuen Aufbaus für Kollisionsexperimente chemische Reaktionen bei Temperaturen, wie sie im interstellaren Raum herrschen, erfolgreich nachgebildet.

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Eine der größten Herausforderungen für Molekularforscher ist die Beobachtung chemischer Reaktionen bei niedrigen Temperaturen. Zu diesem Zweck müssen ähnliche Bedingungen wie im interstellaren Raum erzeugt werden – in dem Reaktionen bei mehreren Kelvin stattfinden – wobei es durchaus wichtig ist, die Prozesse eines tiefen Quantenregimes zu beschreiben. Während die Laserkühlung von Atomen bereits die Atomphysik revolutioniert hat, erwies sich die Kühlung von Molekülen als weitaus kompliziertere Aufgabe. Um dieses Problem zu umgehen, hat das Projekt QuCC die Geschichtsbücher gewälzt. Vor genau 50 Jahren, haben die Chemiker Dudley Herschbach und Yuan T. Lee, die beide als Vorreiter auf ihrem Gebiet 1986 den Nobelpreis erhielten, eine einfache Methode zur Kühlung von Gasen entwickelt. „Diese Kühlmethode basiert auf einer adiabatischen Expansion von Gas bei der ein Übergang vom Hochdruck zum Vakuum erfolgt“, erklärt Dr. Ed Narevicius, Koordinator des Projekts QuCC im Auftrag des Weizmann-Instituts für Wissenschaften. Es gab jedoch einen Haken. Während der Expansion kühlt sich das Gas tatsächlich auf Temperaturen unter 1 K ab. Dabei wird die „Gaswolke“ aber auch auf sehr hohe Geschwindigkeiten beschleunigt. Da zwei solche Reaktanten tragende „Wolken“ aus kaltem Gas mit sehr hohen Relativgeschwindigkeiten aufeinandertreffen, führt ihre Kollision zu Temperaturen über 300 K. „Wir haben dieses Problem gelöst, indem wir unser Kollisionsexperiment in einem sich bewegenden Referenzrahmen durchgeführt haben“, sagt Dr. Narevicius. „Wir haben zwei Wolken mit einem sehr hohen Magnetfeldgradienten zusammengeführt. Dieser einfache Schritt ermöglichte es uns, die Kollisionsenergie im Vergleich zu früheren Versuchen um den Faktor 1 000 zu verringern. Auf diese Weise können wir jetzt routinemäßig Experimente durchführen, die verschiedene Aspekte der Eigenschaften von Materiewellen bei molekularen Kollisionen aufdecken.“ Dank dieses Durchbruchs konnte das Projektteam das schwer fassbare Phänomen der Quantenresonanzen bei reaktiven Kollisionen mit niedriger Energie experimentell demonstrieren. Sie stellten fest, dass Partikel, die durch eine potenzielle Energiebarriere tunneln, bei niedrigen Energien möglicherweise nebeneinander „stecken bleiben“ und sich gegenseitig umkreisen könnten. „Diese besonderen Zustände können bei der Messung der Reaktionsrate als Funktion der Kollisionsenergie beobachtet werden. Wann immer die Kollisionsenergie mit der Position der Resonanz übereinstimmte, konnten wir eine sehr starke, in einigen Fällen sogar zehnfache, Steigerung der Reaktivität feststellen. Überraschenderweise verliefen Energiereaktionen, die bei Temperaturen von unter Null Kelvin stark unterdrückt wurden, genauso schnell wie bei Raumtemperatur“, erklärt Dr. Narevicius. Mit diesen Quantenresonanzen als hochempfindliche Sonden molekularer Wechselwirkungen haben Dr. Narevicius und sein Team neue Effekte entdeckt, die für das am häufigsten vorkommende Molekül im interstellaren Raum – Wasserstoff – von besonderer Bedeutung sind. Sie haben insbesondere gezeigt, dass die Rotationsstruktur von Molekülen eine Schlüsselrolle bei der Wechselwirkung mit anderen Objekten spielt. Molekularer Wasserstoff im niedrigsten Rotationszustand verhält sich wie eine symmetrische „Kugel“, während molekularer Wasserstoff im angeregten Rotationszustand eine andere Form annimmt und unterschiedlich schnell reagiert. Darüber hinaus hat das Team auch einen neuen Isotopeneffekt ermittelt, der die Geschwindigkeit der durch Quanteneffekte bei niedrigen Kollisionsenergien verursachten Reaktionen drastisch verändern kann. Da das Projekt nun abgeschlossen wurde, plant das Team, zukünftige Forschungsarbeiten auf die Senkung der Temperatur um einen weiteren Faktor von 1 000 zu konzentrieren. So würden sie das Regime erhalten, in dem Moleküle entweder der Bose- oder der Fermi-Statistik folgen müssen. „Dies ist ein neuer Zweig der Molekularwissenschaft, der viele Fragen unbeantwortet lässt und für den viele mögliche Anwendungen wie etwa in der chemischen Physik, Quanteninformation und Präzisionsspektroskopie vorgesehen sind“, so Dr. Narevicius abschließend.

Schlüsselbegriffe

QuCC, Quantenchemie, interstellar, niedrige Temperaturen, Molekularwissenschaft, tiefes Quantenregime

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