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Stakeholder-informed ethics for new technologies with high socio-economic and human rights impact

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Ethik in den Mittelpunkt neuer Technologien rücken

Neu entwickelte Methoden und Werkzeuge sollen sicherstellen, dass Ethik und Menschenrechte bei der Markteinführung moderner Schlüsseltechnologien umfassend berücksichtigt werden.

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Schon in naher Zukunft ist damit zu rechnen, dass künstliche Intelligenz, Humangenomik und die Optimierung des Menschen durch „Human Enhancement“ erhebliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen haben werden. Gleichzeitig werfen diese modernen Technologien ernsthafte ethische, rechtliche und menschenrechtliche Fragen auf. „Das Projekt SIENNA befasste sich mit diesen Fragen und unterbreitete Vorschläge dazu, wie man sie angehen könnte“, erläutert Projektkoordinator Philip Brey, Professor für Technikphilosophie an der niederländischen Universität Twente.

Ethische Herausforderungen im Zusammenhang mit Technologie

Im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) entstehen Systeme, welche die menschliche Entscheidungsfindung unterstützen und in der Lage sind, große Datenmengen zu analysieren sowie Gesichter und Verhaltensweisen zu erkennen. Mithilfe von KI werden zudem Maschinen wie intelligente Roboter und selbstfahrende Autos entwickelt. „KI kann autonom Entscheidungen treffen und Handlungen ausführen, und zwar in einer Weise, wie es zuvor nur für Menschen möglich war“, so Brey. „Andererseits heißt das aber auch, dass KI alle möglichen menschlichen Übel anrichten kann. Beispielsweise kann sie Menschen kontrollieren, diskriminieren und die Privatsphäre verletzen. Wer trägt die Verantwortung, wenn intelligente Maschinen Schlechtes tun?“ Die Humangenomik ist eine leistungsstarke Technologie, die zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit genutzt werden könnte. „Doch auch hier gibt es einschneidende ethische Folgen zu bedenken“, merkt Brey an. „Die Genomsequenzierung berührt nämlich ganz wesentliche Datenschutzfragen, wenn Dritte detaillierte Kenntnis zum individuellen Erbgut einer Person erhalten. Diese Informationen könnten herangezogen werden, um Beschäftigte oder Versicherte zu diskriminieren.“ Human Enhancement ist eine moderne Technologie, bei der es um die Steigerung der menschlichen Leistungsfähigkeit über das typische Spektrum hinaus geht. Dazu zählen unter anderem Augen und Ohren mit optimierten Fähigkeiten oder Arme und Beine mit verbesserter Kraft und Ausdauer. „Viele lehnen diesen Ansatz von Grund auf ab“, sagt Brey. „Auf jeden Fall sind damit Gesundheits- und Sicherheitsrisiken verbunden, wie auch Bedenken in Bezug auf den Verlust der menschlichen Identität und Ungleichheit.“

Ethische Sensibilisierung

Beim EU-finanzierten Projekt SIENNA ging es zunächst um die Bestimmung und Untersuchung der ethischen und menschenrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit diesen drei Technologien. Darauf aufbauend wurden Werkzeuge und Methoden entwickelt, mit denen die Interessengruppen die verschiedenen Bedenken besser angehen und mildern können. „Wir wollten die aktuellen Fragen und auch die Herausforderungen, die im Laufe der nächsten 20 Jahre zu erwarten sind, herausarbeiten“, erklärt Brey. „Dabei wollten wir auch den Bedenken und Ansichten der Interessengruppen Rechnung tragen.“ Dazu wurden Hunderte Interessengruppen sowie rund 11 000 Bürgerinnen und Bürger aus elf Ländern befragt. Eine umfassende Rechtsanalyse brachte Klarheit über das derzeitige rechtliche Umfeld. „Auf der Grundlage unseres Verständnisses dieser Fragen entwickelten wir anschließend Vorschläge und Lösungen“, so Brey. „Außerdem erstellten wir ethische Leitlinien. Besonders im Bereich Human Enhancement war dies wirklich nötig, da es hier noch keine Leitlinien gab.“ Regulatorische und politische Empfehlungen zu diesen drei Technologiebereichen wurden ebenfalls vorgelegt. Für die Humangenomik wurde ein internationaler Verhaltenskodex zum Datenaustausch erarbeitet. Zudem wurden Empfehlungen zur Einbeziehung ethischer und menschenrechtlicher Forderungen in Gesetzgebung und Rechtsvorschriften verfasst. Für den Bereich der KI wurde ein „Ethics by Design“-Ansatz vorgestellt, bei dem von vornherein ethische Aspekte berücksichtigt wurden. „Unsere Analysen und Empfehlungen sind bereits auf positive Resonanz gestoßen“, sagt Brey. „Die Europäische Kommission wird unsere Leitlinien zur Forschungsethik in den Bereichen KI und Human Enhancement sowie unseren ‚Ethics by Design‘-Ansatz in ihrem Ethikprüfungsverfahren für das neue Forschungsprogramm Horizont Europa anwenden. Das heißt, dass potenziell Hunderte neuer Forschungsprojekte auf unsere Werkzeuge und Erkenntnisse zurückgreifen werden.“ Insgesamt konnte das SIENNA-Projekt erfolgreich darauf hinweisen, dass Ethik und Menschenrechte bei der Entwicklung und Anwendung neuer Technologien von vornherein im Mittelpunkt stehen müssen, anstatt als nachträgliche Anhängsel behandelt zu werden. „Allgemeine ethische Leitlinien können ein wichtiger erster Schritt zur Sensibilisierung für ethische Fragen sein“, meint Brey. „Sie müssen aber durch spezifische Werkzeuge und Methoden ergänzt werden, wie etwa Rahmen zur Forschungsethik, berufsethische Verhaltenskodizes und ‚Ethics by Design‘-Ansätze.“ Darin besteht der entscheidende Beitrag des Projekts, denn Europa steht an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter technologischer Innovation.

Schlüsselbegriffe

SIENNA, künstliche Intelligenz, KI, Genomik, Technologien, Roboter, Ethik, Gesundheit, Mensch, menschlich, intelligent

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