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Inhalt archiviert am 2024-04-18

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Ein Rover, eine Mission: für ein zukünftiges Leben auf dem Mond

Es besteht noch viel Wissensbedarf im Hinblick auf den Mond und die Bedingungen, unter denen Astronautinnen und Astronauten leben müssen, wenn sie auf seiner Oberfläche Fuß fassen. Im Rahmen des Projekts LUVMI-X werden Vorbereitungen zum Bau des optimalen Rovers für diese zukünftigen Missionen getroffen. Wenn alles wie geplant verläuft, wird eine Inbetriebnahme im Jahr 2025 erwartet.

Weltraum icon Weltraum

Bereits 2018 berichtete CORDIS, wie das Projekt LUVMI eine neue Art von Rover in Leichtbauweise zur Erforschung des Mondes entwickelt hat. Gleich nach der Entdeckung von gefrorenem Wasser in schattigen Mondkratern hatte ein Forschungsteam unter der Leitung von Space Application Services den ersten Rover-Prototyp gebaut, der in der Lage war, die Krater des Mondes auf der Suche nach Eis zu erkunden. Letztendlich sollte das Projekt ausfindig machen, was zukünftige Forschende für die Errichtung einer langfristigen Siedlung auf dem Mond benötigen. Drei Jahre später ist die Entwicklung des neuen Rovers dank der EU-Finanzierung im Rahmen des Nachfolgeprojekts LUVMI-X (LUVMI-Extended) immer noch von Erfolg geprägt. Der Rover von 2018 hat sich deutlich verändert. Er ist jetzt mit neuen Instrumenten ausgestattet, um flüchtige Stoffe an abgelegenen Orten aufzuspüren, die Mondumgebung und ihre Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit zu untersuchen sowie die In-situ-Ressourcennutzung zu messen. Jeremi Gancet, Koordinator des Projekts, erklärte sich bereit, einige Fragen zu den neuen Funktionen des Rovers zu beantworten. Er erläuterte auch, welche Schritte noch erforderlich sind, bevor das Landfahrzeug endgültig zum Mond aufbrechen kann.

Die Menschheit flog vor über 40 Jahren zum Mond. Wie kann es also sein, dass es immer noch so viele Kenntnislücken gibt – im Hinblick auf seine Ressourcen, seine Umwelt und die Möglichkeit, dort zu leben?

Jeremi Gancet: Die Leistungen des Apollo-Raumschiffs vor einem halben Jahrhundert waren außergewöhnlich. Dennoch bestehen tatsächlich weiterhin große Lücken in unserem Wissen und Verständnis der Geologie sowie der Umgebungsbedingungen des Mondes. Die Astronauten der Apollo verbrachten insgesamt dreieinhalb Tage auf der Oberfläche des Mondes (über sechs Missionen). In diesem begrenzten Zeitrahmen führten sie so viele wissenschaftliche Arbeiten wie möglich durch, mit den damals verfügbaren Technologien. Wir haben eine Menge gelernt. Dies war jedoch nur ein Anfang. Über den Mond sind uns noch viel mehr Dinge unbekannt, als wir über ihn wissen! Mehrere Sonden haben jüngst dazu beigetragen, die geologischen Eigenschaften des Mondes von der Mondumlaufbahn aus zu analysieren. Sie lieferten Beweise für das Vorhandensein von flüchtigen Stoffen (Wassereis) in den Polargebieten und einigen Kratern des Mondes. Die Nutzung solcher Ressourcen könnte einen Wendepunkt in der Weltraumforschung darstellen. Zudem erlebten wir in den letzten 10 Jahren eine Art „Renaissance der Monderkundung“, bei der die Raumfahrtnationen ein wachsendes Interesse daran bekundeten, zum Mond zurückzukehren. Dies wurde auch durch den Aufstieg privater Organisationen begünstigt, die wettbewerbsfähige Lösungen für den Flug und die Landung von Raumfahrzeugen anbieten: Die Rückkehr der Menschen zur Mondoberfläche wird in wenigen Jahren zu einem Bruchteil der Kosten des Apollo-Programms möglich sein. Dies führt uns zum Konzept von LUVMI-X. Roboterlösungen wie Mondrover befördern Sensoren in vielversprechende Gebiete und bringen sie kilometerweit entfernt von den Landestellen zum Einsatz. Genau das wollen wir mit einer erschwinglichen „Mobilitätslösung“ erreichen, die eine Vielzahl von wissenschaftlichen Instrumenten an entlegene Orte bringen und sie dort einsetzen kann, wo der zu erwartende wissenschaftliche Gewinn am größten ist.

Rover werden heute überall auf der Welt entwickelt. Wodurch zeichnet sich LUVMI-X aus?

LUVMI-X umfasst sowohl innovative Instrumente für die Mondforschung als auch den Rover selbst, der diese Instrumente an geeignete Orte bringen und sie dort betreiben kann. Unser Rover kann verschiedene Sensoren aufnehmen, um wissenschaftliche Fragen von höchster Priorität für die Gemeinschaft zu beantworten. Insbesondere die flüchtigen Stoffe sind von vorrangigem Interesse: Wir haben immer noch wichtige Fragen, u. a. zu ihrer geografischen Verteilung, ihrer Zusammensetzung und der Tiefe, in der sie gefunden werden können. Der LUVMI-X-Rover ist ein eher kleines Fahrzeug, die mit allen Nutzlasten an Bord weniger als 90 kg wiegt. Er ist sehr mobil – er kann über bis zu 30 cm hohe Felsen fahren – und bietet eine standardisierte Lösung zur Aufnahme wissenschaftlicher Nutzlasten. Der LUVMI-X-Rover kann Instrumente auf drei verschiedene Arten beherbergen: als feste Nutzlasten, als abwerfbare Nutzlasten und als werfbare Nutzlasten (bis zu 50 m Entfernung vom Rover). Wir rechnen damit, dass LUVMI-X mit diesem Konzept die Nachfrage und Erwartungen vieler Forschender erfüllt und den Mond für die Wissenschaft zugänglicher macht.

Sie haben auch kreative Ideen entwickelt, die sich an ein breiteres Publikum richten, wie z. B. eine Simulation und eine Anleitung zum Bau eines Rovers. Welches Ziel hofften Sie mit diesem Ansatz zu erreichen?

Diese Instrumente können den Menschen zu einem besseren Verständnis verhelfen, z. B. im Hinblick auf die Herausforderungen von Mondmissionen, die zugrunde liegenden Technologien und wie LUVMI-X unterstützend eingesetzt werden kann. Der Weltraum und die Erforschung des Mondes sind großartige Themen, um die Vorstellungskraft zu fördern und die breite Öffentlichkeit, insbesondere junge Menschen, mit einzubeziehen. Einige LUVMI-X-Partner sind besonders bestrebt, LUVMI-X zu einem Bildungsinstrument zu machen. Die Offene Universität hat zum Beispiel umfassendes Bildungsmaterial für Lernende an Grund- und Sekundarschulen erstellt, das bald über unsere Website und andere Kanäle weithin zugänglich gemacht werden soll.

Was sind Ihrer Meinung nach die bislang wichtigsten Ergebnisse des Projekts?

Wir befinden uns in einem Schlüsselmoment des Projekts, in dem die Partner an der Herstellung und Erprobung der verschiedenen LUVMI-X-Komponenten arbeiten. Wir zählen es bereits als Erfolg, dass alle LUVMI-X-Instrumente und das Design der Rover-Plattform zu diesem Zeitpunkt fertiggestellt sind, insbesondere wenn man all die durch COVID-19 aufgestellten Hürden bedenkt. Wir litten u. a. darunter, dass der Zugang zu den Labors eingeschränkt war, dass wir nicht reisen und kollaborieren konnten und die Teilefertigung verzögert war. Die Integration der Partnerbeiträge in den LUVMI-X-Rover ist der nächste große Schritt, der es uns ermöglichen sollte, mit der abschließenden Testkampagne an „analogen“ Orten fortzufahren, d. h. in Außenbereichen (natürlich) oder Innenbereichen (künstlich), die gewisse Ähnlichkeiten mit der Mondumgebung aufweisen.

Was passiert danach? Wann schicken Sie Ihren Rover auf den Mond?

Bis zum Projektende im Oktober 2021 werden wir ein vorläufiges Design der Flugversion und ein Bodenmodell haben, das an relevanten Orten getestet wird. Bis LUVMI-X wirklich für den Flug bereit ist, muss zum Erreichen der vollständigen Reife aber noch eine Lücke geschlossen werden: Das gesamte Flugdesign sollte weiter verfeinert und flugtaugliche Teile – die sehr teuer sind – müssten beschafft werden. Sobald wir all dies gemeistert haben, muss die gesamte Plattform eine umfängliche Reihe von Qualifikationstests durchlaufen, einschließlich Vakuum-, Wärme- und Vibrationstests. Der gesamte Reifungsprozess ist anspruchsvoll und kostspielig. Er würde sich wahrscheinlich über drei bis vier Jahre nach Abschluss des LUVMI-X-Projekts erstrecken. Wir hoffen, dass der erste LUVMI-X-Rover bis 2025 zum Mond fliegen wird!

Welche Langzeitauswirkungen erhoffen Sie sich von diesem Projekt?

Das LUVMI-X-Konzept umfasst Instrumente, mit denen die Eigenschaften des Mondbodens und die Strahlungsexposition charakterisiert sowie die Zusammensetzung und die Häufigkeit von flüchtigen Stoffen ermittelt werden können … der wissenschaftliche Ertrag wird sehr hoch sein, wenn LUVMI-X tatsächlich in die nächste Phase geht. Diese wissenschaftlichen Ergebnisse sollten uns helfen, die Geologie und Geschichte des Mondes besser zu verstehen und eine Rückkehr der Menschen auf die Mondoberfläche vorzubereiten. Außerdem sollten sie die Entwicklung von Technologien vorantreiben, welche die Nutzung der lokalen Ressourcen ermöglichen – natürlich zur Unterstützung der Präsenz von Menschen auf dem Mond, aber auch als Vorbereitung für die weitere Erforschung des Weltraums.

Schlüsselbegriffe

LUVMI-X, LUVMI, Rover, Weltraumforschung, Mond, flüchtige Stoffe, Wasser