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Making Scientific Inferences More Objective

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Vereinbarkeit von Subjektivität und Objektivität in der Wissenschaft

Subjektive Entscheidung und objektives Wissen sind in der Wissenschaft keine Gegensätze. Vielmehr sind subjektive Aspekte bei wissenschaftlichen Schlussfolgerungen unvermeidlich und müssen explizit behandelt werden, um die Transparenz zu erhöhen und belastbarere Ergebnisse zu erhalten, so ein EU-finanziertes Forschungsteam.

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Worin liegt der Unterschied zwischen den „alternativen Fakten“ des Trump-Teams und wissenschaftlicher Wahrheit? Die übliche Antwort lautet die objektiven Methoden wissenschaftlicher Schlussfolgerung. Zwar gibt es einen – objektiven – Unterschied zwischen wissenschaftlichen Tatsachen und Unwahrheiten, doch die Vorstellung, dass fundierte Wissenschaft frei von persönlichen Werten oder subjektiven Annahmen ist, kann gefährliche Verzerrungen zur Folge haben. Das Team des vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts Objectivity (Making Scientific Inferences More Objective) denkt den Begriff der Objektivität bei wissenschaftlicher Schlussfolgerung neu. Die überholte Vorstellung, dass wissenschaftliche Objektivität gänzlich frei von subjektiven Einschlägen ist, behindern häufig die Förderung wissenschaftlichen Fortschritts, bemerkt Jan Sprenger, Hauptforscher des Projekts und Professor für Philosophie der Wissenschaft am Fachbereich Philosophie der Universität Turin. „Leider neigen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Herausgeberinnen und Herausgeber von Fachzeitschriften dazu, über diese Einschläge hinwegzugehen.“ Laut Sprenger hat diese Vorgehensweise maßgeblich zur gegenwärtigen Replikationskrise beigetragen – das Problem der Wissenschaft, frühere Forschungsergebnisse zu reproduzieren. „Wir haben erörtert, dass eine explizit subjektive Haltung zu wissenschaftlicher Schlussfolgerung die Transparenz wissenschaftlicher Argumentation erhöht. Mit dieser Haltung können außerdem die Überprüfung wissenschaftlicher Aussagen erleichtert und die Zuverlässigkeit der Schlussfolgerungen erhöht werden.“ Wie kann dieser Ansatz nun die Wissenschaft verbessern? Das Projektteam entwickelte praktische Instrumente, die zur Verbesserung statistischer, kausaler und erklärender Schlussfolgerungen eingesetzt werden können, um die subjektive Entscheidung mit dem Streben nach objektivem Wissen zu vereinen.

Inhärente Subjektivität

Ein Beispiel für den Missbrauch von Statistik, der zur Replikationskrise beiträgt, ist das p-Hacking. Dabei wählen Forscherinnen oder Forscher die Analysen oder Daten aus, die am besten zur gewünschten Schlussfolgerung passen. Das Team von Objectivity hebt die Leistung des Bayesianismus, der die subjektive Interpretation der Wahrscheinlichkeit beinhaltet, zur Verbesserung statistischer Schlussfolgerung hervor: Die Arbeit der Teammitglieder zeigt, dass Versuche, die unter Anwendung dieser Methode konzipiert und analysiert wurden, genauere Schätzungen lieferten als die konventionelle Methode. Kausale Schlussfolgerung ist der Prozess, anhand dessen Ursachen aus Daten gefolgert werden. In der Medizin beispielsweise zielen randomisierte kontrollierte Studien darauf ab, die Kausalstärke zu bestimmen, um die Wirksamkeit einer neuen Behandlung zu untersuchen. Die Forschenden argumentieren für ein spezifisches Maß der Kausalstärke: den Unterschied, den Maßnahmen gegen die Ursache bei der Wahrscheinlichkeit des Effekts bewirken. Diese Wahrscheinlichkeit kann abhängig vom Kontext objektiv (als Häufigkeiten, Tendenzen) oder als subjektive Grade der Überzeugung interpretiert werden. Die erklärende Schlussfolgerung bezeichnet den Prozess der Auswahl der Hypothese, die die vorliegenden Daten am besten erklärt. Dieses Konzept ist laut Sprenger jedoch bekanntlich ungenau: „Was ist eine ‚gute‘ Erklärung? Das Bauchgefühl der Wissenschaftlerin oder des Wissenschaftlers? Durch unsere Arbeit haben wir ein belastbareres Fundament für diese Art der Schlussfolgerung über die Konstruktion und den Vergleich verschiedener Maße der Erklärungskraft geschaffen.“ Das Team erkannte ein enges Verhältnis zwischen bestehenden Überzeugungen und der Erklärungskraft. Die Beurteilung der Qualität einer Erklärung und die Folgerung der „besten Erklärung“ erfolgen somit nicht rein objektiv, sondern sind von subjektiven Überzeugungen durchzogen. „Die für die Auswertung von Versuchen und deren statistische Analysen angewendeten Verfahren müssen angepasst werden: Wir müssen die Angst vor subjektiven Einschlägen bei Schlussfolgerungen verlieren“, schließt Sprenger. „Wissenschaft ist dem Aberglauben überlegen, jedoch nicht, weil sie keine subjektiven Einflüsse zulässt, sondern weil wissenschaftliche Schlüsse resistent gegenüber einer Variation der subjektiven Einschläge sind und Wissenschaft rationale Kritik zu den aufgestellten Annahmen zulässt.“

Schlüsselbegriffe

Objectivity, Subjektivität, wissenschaftliche Schlussfolgerung, statistische Schlussfolgerung, kausale Schlussfolgerung, erklärende Schlussfolgerung, Bayesianismus, Verzerrung

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