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Gelddruck: Wie sich Europa durch die Wirtschaft der Verlage im 16. Jahrhundert veränderte

Neue Forschungen zeigen, dass die Renaissance nicht durch bewegliche Lettern allein in Gang gesetzt wurde – dazu bedurfte es auch einer lebendigen, wettbewerbsfähigen Druckindustrie.

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Die Erfindung von Johannes Gutenbergs Druckerpresse löste im Europa des 16. Jahrhunderts eine kulturelle Revolution aus. Sie wirkte als wichtiger Impulsgeber für Veränderungen in der Gesellschaft, insbesondere im religiösen Glauben, indem sie eine kostengünstigere Verbreitung von Wissen ermöglichte. Dennoch wurden bisher nur wenige quantitative Analysen durchgeführt, um die Auswirkungen dieser Innovation zu messen. Das durch den Europäischen Forschungsrat unterstützte Projekt INFO TECHNOLOGY versuchte zu beleuchten, auf welche Art und Weise das Druckgewerbe daran beteiligt war, Ideen zu entwickeln, die dann der Öffentlichkeit preisgegeben wurden. „Thematisch geht es darum, wie sich eine der größten Veränderungen in der Informationstechnologie der Geschichte abgespielt und Europa verändert hat“, so Projektkoordinator Jeremiah Dittmar.

Gründungen in der Renaissance

Dittmar und sein Team leisteten historische Detektivarbeit, um jeden deutschsprachigen Drucker ausfindig zu machen, der im 16. Jahrhundert in Mitteleuropa betrieben wurde. Dies schloss Details über die Arten der Materialien, die im Laufe der Zeit hergestellt wurden, mit ein. Anschließend nutzten sie Instrumente für Data-Mining, wie sie üblicherweise für Sentimentanalysen in sozialen Netzwerken eingesetzt werden, um für Werke bei der Veröffentlichung gemeinsame Tendenzen in den Ideen aufzuzeigen. „Wir sammelten detaillierte Daten über die Wettbewerbsstruktur der Druckindustrie“, erklärt Dittmar, der die Arbeit an der London School of Economics and Political Science im Vereinigten Königreich durchführte. „Damit können wir zeigen, dass eine Vielzahl von Veränderungen, die der Technologie selbst zugeschrieben werden, eher durch die zugrunde liegende Wirtschaftsbranche geprägt wurden.“ Im Gegensatz zu den Zünften, dem damals üblichen Geschäftsmodell, war das Verlagswesen weitgehend unreguliert und für jeden zugänglich, der die anfänglichen großen Investitionen für den Aufbau einer Druckerei aufbringen und eine Autorenschaft für sich gewinnen konnte. „Es war eine hochkonzentrierte Industrie mit einer Handvoll Produzenten, die um die Vorherrschaft in lokalen Märkten kämpften“, fügt Dittmar hinzu. Sein Team stellte fest, dass dort, wo viele kleine Verlage um die Vorherrschaft wetteiferten, eine größere Materialvielfalt an die Öffentlichkeit gelangte. In Gebieten, in denen nur wenige Verlage dominierten, wie etwa in Köln, war die Überwachung neuer Ideen und die Zensur abweichender Meinungen stärker ausgeprägt. „In durch stärkeren Wettbewerb geprägten Märkten sehen wir einen großen Anstieg der Gesamtproduktion, eine Senkung der Preise und eine größere Verbreitung innovativer, radikaler, sozial gewagter Inhalte“, meint Dittmar. „Der wirtschaftliche Wettbewerb führte zur Verbreitung von Ideen, die normalerweise streng kontrolliert wurden.“

Alte und neue Oligopole

Diese Zurückweisung von Ideen war nicht auf religiöse und politische Werke beschränkt. In Städten mit einem vielfältigen Verlagswesen konnten sich neue Innovationen in der Wirtschaft schneller verbreiten. Dazu zählten der bargeldlose Zahlungsverkehr und neue Buchhaltungstechniken. „Wir sehen alle möglichen nachgelagerten Ergebnisse, mehr Menschen, die etwas im Bereich der Wirtschaft erreichen, Städte, die sich dynamischer entwickeln“, bemerkt Dittmar. „Die Pressefreiheit treibt die gesamte Wirtschaft an.“ Die Erkenntnis, dass Oligopole einen starken Einfluss auf die Bandbreite der in der Gesellschaft verbreiteten Ideen haben, besitzt eine große Bedeutung im Hinblick auf das Aufkommen des Internets, einem weiteren revolutionären Veröffentlichungsinstrument, das von einer kleinen Anzahl von Unternehmen kontrolliert wird. „Es wird manchmal angenommen, dass Wissenschaft und Technologie problemlos die Entwicklung von Ideen und Wirtschaft abbilden“, ergänzt Dittmar. „Die Geschichte zeigt, dass das Wesen des wirtschaftlichen Wettbewerbs die Art und Weise prägt, wie Wissenschaft und Technologie soziale und kulturelle Ergebnisse vorantreiben.“

Schlüsselbegriffe

INFO TECHNOLOGY, Druck, Presse, Verlagswesen, Wirtschaft, Zunft, Zensur, Wirtschaft, Wettbewerb, Oligopole, Kultur, Ideen

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