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Interview
Inhalt archiviert am 2024-04-18

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Vernetzte Kühe für bessere Fleisch- und Milchprodukte

Das Projekt CATTLECHAIN 4.0 hat neue Lösungen für landwirtschaftliche Betriebe entwickelt, um die große Anzahl an Tieren besser zu bewältigen und gleichzeitig vollständige Transparenz der Lieferkette zu gewährleisten. Die neuen Produkte könnten schon nächstes Jahr zum Einsatz kommen.

Lebensmittel und natürliche Ressourcen icon Lebensmittel und natürliche Ressourcen

Die neue Generation an Landwirtinnen und Landwirten steckt schnell in einem Dilemma. Um rentabel zu sein, braucht es immer größere Betriebe und Investitionen in Ausrüstung zur Präzisionslandwirtschaft, um die Qualität der Fleisch- und Milchprodukte zu überwachen. Dieser Druck reicht aus, viele angehende Landwirtinnen und Landwirte zu entmutigen, doch auch die Mutigen müssen diesen Schritt gehen. Nur dann können sie den Durst der Regierung und Verbraucherschaft nach Transparenz und Nachverfolgbarkeit in der Lieferkette stillen. Carlos Callejero und sein Team haben mit CATTLECHAIN 4.0 (Enhancing farm productivity and guaranteeing CATTLE traceability and welfare with blockCHAIN) auf Geräte und Algorithmen des Internets der Dinge (IoT) gesetzt, um eine zuverlässige und kostengünstige Lösung für die dauerhafte Kontrolle einzelner Tiere zu bieten. Ihre Technologie wurde in Szenarien mit bis zu 5 000 Kühen validiert und revolutioniert die Viehwirtschaft.

Können Sie uns mehr über die IoT-Geräte und -Algorithmen erzählen, die Sie entwickelt haben? Was ist ihr Zweck und was macht sie so innovativ?

Carlos Callejero: Wir haben IoT-Geräte – Halsbänder und Ohrmarken – mit externen Sensoren kombiniert, welche die Tiere wiegen und die Wasseraufnahme aufzeichnen. Unsere Algorithmen prüfen dann die folgenden Parameter für das Wohlbefinden der Tiere: Zugang zu Futter und Wasser sowie das Aktivitätsniveau (also den Stress) des Tieres. Letztendlich werden manche der entwickelten Algorithmen direkt auf den Geräten arbeiten (das sogenannte Edge Computing) und daher verarbeitete Daten bieten, die so nah an der Quelle sind wie möglich. Insgesamt erwarten wir eine Zukunft mit intelligenteren IoT-Geräten, die noch mehr wertvolle Informationen aufzeichnen werden.

In welchen Situationen sind diese Algorithmen und Geräte besonders praktisch?

Wir arbeiten an drei Instrumenten, wobei jedes einem anderen Zweck dient: ein Instrument zur Aufzeichnung der Zeit, die ein Tier draußen grasen konnte, ein Instrument, das Warnungen ausgibt, wenn das Tier zu wenig Wasser aufnimmt oder weniger Gewicht zunimmt als erwartet, sowie ein Instrument, das das Stressniveau kontrolliert und Warnungen ausgibt, wenn diese von der Norm abweichen.

Was sind die bislang wichtigsten Errungenschaften des Projekts?

Unsere neuen Halsbänder und Ohrmarken sind bereit. Sie kommunizieren miteinander und minimieren nachweislich die Gesamtkosten der Überwachung des Viehbestands. Wir haben auch erfolgreich eine neue Generation an Algorithmen entwickelt, die mithilfe von künstlicher Intelligenz mehr Informationen zum Zustand des Tieres liefern, wie ich bereits erwähnte. Das alles soll die Rentabilität großer Bestände erhöhen. Auf Blockchain-Ebene haben wir ein Instrument erstellt, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern detaillierte Informationen zur Nachverfolgbarkeit von Fleischprodukten bietet. Dieses Instrument wurde in verschiedenen Betrieben validiert, die ihre Produkte direkt verkaufen. Beim Kauf von Fleisch erhalten Sie dann wertvolle Informationen wie den Ursprungsort, Zertifikate zum Tierwohl usw.

Was steht noch aus?

Die erwähnten erweiterten Halsbänder und Ohrmarken mit Edge Computing Funktionen müssen noch eingeführt werden. Wir hoffen, mit dieser neuen Generation an Geräten die allgemeine Auffassung von Verbrauchenden zu ändern, dass Technologie nur bei der Lokalisierung wirklich helfen kann. Wir arbeiten auch daran, die Erkennungsrate von Reproduktion sowie den Algorithmus zur Aufzeichnung der Zeit auf dem Weideland zu verbessern. Bei der Zeitaufzeichnung sollen noch Variationen durch Witterungsbedingungen mit einbezogen werden. Auch ein Algorithmus zur Aufzeichnung der Nahrungsaufnahme auf dem Weideland soll eingeführt werden. Die letzten Monate des Projekts arbeiten wir an der Integration der Blockchain-Technologie in FIWARE – einer Community und einem Rahmen für quelloffene Plattformkomponenten, der die Entwicklung intelligenter Lösungen beschleunigen soll – und der Aufnahme in einem europaweiten dezentralisierten Netzwerk wie Alastria.

Wie verhilft diese Technologie der jüngeren Generation an Landwirtinnen und Landwirten zum Erfolg?

Der europäische Grüne Deal wird die EU in eine moderne, ressourcenschonende und wettbewerbsfähige Wirtschaft verwandeln. Das ist eine Herausforderung für die jüngere Generation an Viehbetrieben. Es macht die Entwicklung von Bewirtschaftungsverfahren und -technologien notwendig, die die Effizienz und Rentabilität von Betrieben verbessern und gleichzeitig das Tierwohl respektieren sowie die Umweltbelastung von Viehbetrieben minimieren. CATTLECHAIN kommt diesen Herausforderungen mit Lösungen zuvor, die jungen Landwirtinnen und Landwirten helfen, sie zu bewältigen, und die Langfristigkeit ihrer Betriebe sicherstellt.

Sie arbeiten auch an einem Tierwohlsiegel. Wie liefern Ihre Instrumente dafür eine Garantie?

IDELE (das französische Institut für Viehbetriebe) ist Partner dieses Projekts. Es liefert Fachwissen zum Verhalten und Wohlbefinden von Tieren. Das spanische Institut IRTA wurde beauftragt, die Schwellenwerte der Ereignisse festzulegen, die hinsichtlich des Tierwohls gemeldet werden müssen. Wir wollen diese Standards nicht definieren, sondern eine Technologie bieten, die ihre Anwendung sicherstellt.

Können Sie uns mehr über Ihre Kommerzialisierungspläne verraten?

Wir planen drei getrennte Phasen. Zuerst konzentrieren wir uns auf die Vermarktung in Spanien. Die Lösung wird in unsere Vertriebskanäle integriert (Internet, Handelsvertretungen und Vertriebshändler). Auch wird digital (Soziale Netzwerke, Webseite) sowie durch unsere Partner eine Werbekampagne für Tierhalteverbände und Genossenschaften durchgeführt. Die Kontakte mit diesen Verbänden und öffentlichen Verwaltungen werden außerdem weiter ausgebaut. Die zweite Phase umfasst die Konsolidierung in Spanien sowie die Kommerzialisierung in Frankreich, Portugal und dem Vereinigten Königreich. Unsere Marketingstrategie wird in den anderen zwei europäischen Märkten repliziert, in denen wir bereits präsent sind. Phase drei besteht im internationalen Vertrieb. Wir werden einen Vertriebshändler in den hauptsächlich anvisierten Märkten suchen und ein Netzwerk an Vertriebspartnern aufbauen, um Viehbetriebe besser zu erreichen. Wir haben diesen Plan bereits mit anderen Produkten in Zusammenarbeit mit Telekommunikations- und Technologieanbietern durchgeführt.

Schlüsselbegriffe

CATTLECHAIN 4.0, Vieh, Fleisch, Milchprodukte, Ohrmarken, Halsbänder, IoT, Internet der Dinge, Präzisionslandwirtschaft, Algorithmen, Nachverfolgbarkeit