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Inhalt archiviert am 2023-04-03

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Wissenschaft im Trend: Träumen Androiden von elektrischen Überstunden?

Die Angst, seinen Arbeitsplatz an jemanden zu verlieren, der Aufgaben schneller, kostengünstiger und möglicherweise kreativer ausführen kann, besteht schon seit Langem. Ähnlich lange wird uns allerdings auch versprochen, dass eine neue, anstrengungslos lebende Gesellschaftsschicht entstehen wird, die mehr Freizeit genießen kann, sobald wir uns erst von den banalen, repetitiven und langweiligen Aufgaben befreien können. Angesichts einiger Prognosen, nach denen in den nächsten 20 Jahren 35 % aller Arbeitsplätze im Vereinigten Königreich durch Automatisierung wegfallen könnten, ist es vielleicht an der Zeit, die Maschinen, die Arbeitsplätze gefährden, von den Maschinen zu trennen, die unser Leben auf harmlose Weise bereichern.

Vor wenigen Wochen wurde in San Francisco ein Café namens „Café X“ eröffnet, in dem der verkaufte Kaffee von einem stets für die Kunden präsenten Roboter zubereitet wird – nun zählt also auch der Barista zu den Berufen, die durch die Automatisierung zunehmend in ihrer Existenz bedroht sind. Laut den Forschungsergebnissen, die im vergangenen Jahr von der Universität Oxford und der Unternehmensberatung Deloitte veröffentlicht wurden, besteht im Vereinigten Königreich für 1,3 Millionen Arbeitsplätze, die sich durch „repetitive und stets gleich ablaufende“ administrative und operative Tätigkeiten auszeichnen, eine Wahrscheinlichkeit von 77 %, dass sie durch Automatisierung wegfallen werden. Unerwartet war dabei offenbar die Vielzahl an Berufsbildern, die durch unsere kybernetischen Kollegen gefährdet sind. Für Fabrikarbeiter ist es schon seit Jahrzehnten nichts Neues, dass repetitive, präzise auszuführende und körperlich anstrengende Aufgaben automatisiert werden. Den Forschungsergebnissen zufolge kommt jedoch auch Arbeit für die Computerisierung infrage, die von Polizisten, Lehrern und sogar leitenden Angestellten ausgeführt wird. Ähnliche Untersuchungen des US-amerikanischen Beratungsunternehmens McKinsey untermauern diese Erkenntnisse. Das Versicherungsunternehmen Aviva soll laut jüngsten Meldungen (möglicherweise, um nicht als passiv angesehen zu werden, und angesichts der Tatsache, dass Versicherungsangestellte die Liste der gefährdeten Berufe anführten) all seine 16 000 Mitarbeiter im Vereinigten Königreich angeschrieben haben, um sich zu erkundigen, ob sie der Ansicht seien, dass die von ihnen geleistete Arbeit automatisch durchgeführt werden könne. Um der möglichen Bedrohung durch Automatisierung wirksam entgegenzutreten, wurde allerdings allen Mitarbeitern, die dies bejahten, für ihre Offenheit eine Umschulung angeboten. Möglicherweise liegt die aktuelle Debatte auch darin begründet, dass beinahe täglich neue Innovationen bei autonomen Geräten verkündet werden. Ein prägnantes Beispiel dafür sind die selbstfahrenden Fahrzeuge, die derzeit von Google und anderen Unternehmen entwickelt werden. Auch das bewusst unscheinbar gestaltete und dennoch allgegenwärtige „Internet der Dinge“ leistet seinen Beitrag. Wie sehr sollten wir uns also Sorgen machen? Jedem, der mit dem Begriff „Luddismus“ vertraut ist, könnte verziehen werden, wenn er mit der Frage „War es nicht schon immer so?“ antwortet. Die optimistischeren Prognostiker betonen, dass Innovation zwar immer einen Wandel mit sich bringt, der gesellschaftliche Anpassungen zur Folge hat, die Realität aber selten ausschließlich negativ, eindimensional oder sogar vorhersehbar ist. In den Untersuchungen von McKinsey wird darauf hingewiesen, dass die Diskussion irreführend ist, wenn wir mit „Arbeitsplatz“ eigentlich „Beruf“ meinen. Weiter heißt es, dass nur einige funktionale Tätigkeiten automatisiert werden, sodass Berufe neu definiert werden – ähnlich wie damals, als Bankautomaten den Beruf des Bankangestellten veränderten. Die Forscher fanden heraus, dass in den USA derzeit weniger als 5 % aller Berufe vollständig automatisiert werden könnten. Sie stellten jedoch auch fest, dass die Tätigkeiten bei 60 % aller Berufe zu einem Drittel automatisiert werden könnten. Darüber hinaus weisen die Optimisten darauf hin, dass nach zwei Jahrhunderten der Automatisierung heutzutage letztendlich nicht weniger, sondern mehr Arbeitsplätze vorhanden sind. In einer weiteren Studie von Deloitte kam man zu dem Ergebnis, dass sich die Beschäftigung in der Landwirtschaft und der Industrie im Vereinigten Königreich in den letzten 150 Jahren durch die Automatisierung zwar verringert hat, gleichzeitig wurde dieser Abwärtstrend durch das Wachstum bei Unternehmens- und Technologiedienstleistern sowie Pflege- und Kreativberufen wieder mehr als ausgeglichen. Im Gegensatz zu einer dystopischen oder utopischen Zukunft sieht die Realität jedoch meist deutlich banaler aus. So befassen sich politische Entscheidungsträger und Gesetzgeber inzwischen beispielsweise mit Problemen hinsichtlich der Schuldfrage bei Unfällen, in die fahrerlose Fahrzeuge verwickelt sind. Vor nur wenigen Tagen schlug Bill Gates sogar vor, eine Steuer auf Roboter zu erheben, die menschliche Arbeitskräfte ersetzen. Aktuell verhandeln Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEPs) mit der Europäischen Kommission darüber, Robotern einen gesetzlichen „Status“ zu verleihen, um ihr wirtschaftliches Potenzial voll ausschöpfen zu können und gleichzeitig die Sicherheit der Bürger, vor allem hinsichtlich ihrer Arbeitsplätze, zu garantieren. Und werden uns Diskussionen über Verantwortungsbereiche auch an den Punkt bringen, an dem wir über „Roboterrechte“ verhandeln müssen? Diese Perspektive der künstlichen Intelligenz (KI) würde den Rahmen dieses Artikels sprengen … es sei denn, mein Computer ist da anderer Meinung?

Länder

Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten

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