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Inhalt archiviert am 2024-04-17

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Bessere drahtlose Technologie für Implantate und Sensoren im Körper

Seit mehreren Jahrzehnten werden Organfehlfunktionen mit Implantaten, wie z. B. Herzschrittmachern und Hörgeräten ausgeglichen. Das WISERBAN-Projekt macht bei ihrer Entwicklung einen gigantischen Schritt vorwärts: Es geht darum, intelligentere Kommunikationen zwischen derartig...

Seit mehreren Jahrzehnten werden Organfehlfunktionen mit Implantaten, wie z. B. Herzschrittmachern und Hörgeräten ausgeglichen. Das WISERBAN-Projekt macht bei ihrer Entwicklung einen gigantischen Schritt vorwärts: Es geht darum, intelligentere Kommunikationen zwischen derartigen Geräten mit geringerer Größe und niedrigerem Stromverbrauch bereitzustellen. In naher Zukunft könnten Menschen mit gesundheitlichen Problemen, angefangen bei Alzheimer über Diabetes und Herzversagen bis hin zu fehlenden Gliedmaßen, etwas gemeinsam haben: ein intelligentes, effizientes trag- oder implantierbares Gerät, das ihnen den Alltag erleichtert und das Leben angenehmer macht. Hierfür ist die Entwicklung winziger und drahtloser Kommunikationssysteme mit extrem niedriger Leistungsaufnahme von zentraler Bedeutung. Dadurch können diese Geräte Änderungen der Bedingungen mitteilen, sodass die Behandlung entsprechend angepasst werden kann. Mit den heutigen drahtlosen Lösungen lässt sich aufgrund ihrer Größe und ihres Stromverbrauchs nur eine begrenzte Autonomie und drahtlose Konnektivität erreichen. Angesichts der Tatsache, dass durch diese Einschränkung die WBAN-Kapazitäten (Wireless Body-Area Network, WBAN) gegenwärtig die Nutzung in biomedizinischen und Lifestyle-anwendungen behindert, hat WISERBAN wichtige Medizingerätehersteller, Forschungseinrichtungen, und Chiphersteller zusammengeführt, um dieses Problem zu lösen. WISERBAN konzentriert sich auf die extreme Miniaturisierung von BAN-Geräten (Body Area Network, BAN). Es wird sich dabei mit Bereichen der Hochfrequenzkommunikationen (HF), mikroelektronmechanischer Systeme (MEMS) und Minibauteile, rekonfigurierbaren Kleinstantennen, miniaturisierten und kostengünstigen SiP (System-in-Package), MEMS-basierten Funk-SoCs (Micro Electro-Mechanical Systems; System-on-chip) mit niedrigstem Leistungsverbrauch sowie Sensor-Signalverarbeitung und flexiblen Kommunikationsprotokolle beschäftigen. In einem Gespräch mit dem Magazin research*eu Ergebnisse erzählt uns Projektkoordinator Dr. Vincent Peiris mehr über den Beitrag, den das Projekt zur Verbesserung der modernen Technologie geleistet hat, und wie seine Ergebnisse die Lebensqualität und den Zugang zu IKT für eingeschränkte und behinderte Menschen jeden Alters verbessern werden. Dr. Peiris ist Abteilungsleiter für HF- und Analog-IC-Design am Centre Suisse d'Electronique et de Microtechnique (CSEM) in Neuchâtel, Schweiz. Welche Hauptziele verfolgt das Projekt? WBAN der nächsten Generation wird immer häufiger in intelligenten medizinischen, Gesundheits- und Lifestyle-Geräten eingesetzt. Es werden vernetzte, am Körper getragene oder implantierte Sensoren entwickelt und ein Schlüsselfaktor für derartige Technologie sind winzige drahtlose Kommunikationssysteme mit extrem niedriger Leistungsaufnahme. Vor diesem Hintergrund will WISERBAN ein extrem winziges drahtloses Mikrosystem entwickeln, das aus einem 2,4-GHz-Funkgerät, einem Mikroprozessor für die Verarbeitung der Sensordaten und HF-MEMS-Geräten für eine bessere Funkleistung besteht. All das soll in einem System-in-Package von einer Größe von 4 mm x 4 mm x 1 mm3 untergebracht werden, dessen Leistungsaufnahmen nur wenige Milliwatt beträgt. Das Ziel besteht darin, Geräte herzustellen, die 50 Mal kleiner sind und deren Stromverbrauch 20 Mal unter dem heutiger Verbraucherprodukte liegt, die normalerweise klassische Lösungen, wie Bluetooth, verwenden. Was ist neu bzw. innovativ an dem Projekt und dem Weg, den es zur Lösung dieser Probleme geht? Das WISERBAN-Konsortium ist einzigartig, da es auf vier führende Industriepartner aufbaut - SORIN für kardiologische Implantate, Siemens Audiology Solutions für Hörgeräte, Debiotech für Insulinpumpen und MED-EL für Cochlea-Implantate - die zusammen strenge und marktorientierte Anforderungen einbringen. Sie bieten alle sehr unterschiedliche Produkte an, da einige implantiert und andere am Körper getragen werden. Außerdem sind die Auflagen im Gesundheitswesen nicht unbedingt die gleichen wie für Lifestyle-Anwendungen. Dennoch war es möglich, Gemeinsamkeiten hinsichtlich der drahtlosen Kommunikationsschicht zu ermitteln, wodurch wir eine dedizierte Funkspezifikation und eine architektonische Aufgliederung erarbeiten konnten, um die gegenwärtigen Technologieentwicklungen voranzutreiben. Die beiden wichtigsten Innovationen des WISERBAN-geräts sind seine einzigartige Funkarchitektur mit niedrigem Stromverbrauch und seine Größe: 4 x 4 x 1 mm3. Auf Funkebene haben wir eine einzigartige Kombination aus UDSM-CMOS-Schaltkreisen (Ultra-Deep-Submicron, UDSM; Complementary Metaloxide-Semiconductor, CMOS) und einer heterogenen Reihe von MEMS-Geräten - wie z. B. BAW-HF-Resonatoren (Bulk Acoustic Wave, BAW), SAW-HF-Filger (Surface Acoustic Wave, SAW) und Niedrigfrequenz-Siliziumresonatoren (SiRes) - geschaffen, während der heutige Ansatz auf CMOS-Only-Chips beruht, die verschiedene externe und voluminöse passive Komponenten, wie Quarze und HF-Filter, benötigen. Der Einsatz von MEMS in Verbindung mit CMOS ermöglicht eine Integration viel kleinerer SiP im Vergleich zu Modulen mit CMOS-Chips, sowie die Entwicklung disruptiver Funkarchitekturen, welche die Vorteile von MEMS-Geräten nutzen, um die Einschränkungen der CMOS-Schaltkreise zu kompensieren - und umgekehrt. Das ermöglicht eine sehr kurze Inbetriebnahmezeit des Transceiverteils, wodurch sich wiederum die Startzeit des Funks verkürzt. Das ist besonders für den Betrieb mit geringer Leistungsaufnahme entscheidend, da unnötiger Stromverbrauch verhindert, der normalerweise bei dem langsamen Start klassischer Funkarchitekturen auftritt. Gleichzeitig entwickelten wir ein miniaturisiertes SiP-Konzept, um die angepeilte Zielgröße von 4 x 4 x 1 mm3 zu erreichen und gleichzeitig aus kommerzieller Sicht noch erschwinglich zu bleiben. Aktuelle Lösungen, wie z. B. 3D-Silizium-Integration haben den Nachteil, dass sie technisch sehr komplex sind und Siliziumgießereien sie nur zu relativ hohen Kosten in ihren Produktionsfluss integrieren können. Bei WISERBAN werden die CMOS- und MEMS-Geräte in winzige Epoxidharzlaminate eingebettet und diese flachen 2D-SiPs können dann übereinander gelötet werden, um winzige 3D-SiPs herzustellen. Aufgrund der Wirtschaftlichkeit und Modularität dieser SiP-Plattform kann sie problemlos für eine Vielzahl von Endbenutzeranforderungen konfiguriert werden. Auf welche Probleme sind Sie gestoßen und wie haben Sie sie gelöst? WISERBAN ist dabei, die Innovation bei zahlreichen drahtlosen Technologien voranzutreiben, wie z. B. Kleinstantenne, Funkchips, Schaltkreisen für die digitale Verarbeitung und MEMS-Geräten, aber auch bei Software für Systemsteuerung und für drahtlose Sensornetzwerke. Die Systemintegration - die dafür sorgt, dass sie in einem einzelnen Demonstrator oder einem Produkt System zusammenarbeiten können - ist daher eine sehr komplexe Aufgabe und eine der größten Herausforderungen des Projekts. Sie erforderte die Entwicklung einer streng hierarchischen Spezifikations- und Architekturaufteilung, um sicherzustellen, dass jeder Baustein seine Umgebungsbedingungen berücksichtigt und sich mit anderen Bauteilen verbinden lässt. Forscherteams aus mehreren EU-Ländern konzentrieren sich eher auf die spezifischen Probleme ihrer eigenen einzelnen Bausteine, daher musste bei der Systemintegration auch darauf geachtet werden, dass eine effiziente und regelmäßige Interaktion zwischen ihnen gewährleistet ist. Für das CSEM, als wissenschaftlicher Koordinator des Projekts bestand die Hauptaufgabe darin, ein für die ordnungsgemäße Systemintegration förderliches und stimulierendes Umfeld zu schaffen, das die Rolle des Systemintegrators übernimmt. Ein konkretes Beispiel ist die erfolgreiche Verwirklichung - gleich im ersten Anlauf - des WISERBAN-SoC, bei dem es sich um die Systemintegration mehrerer Technologie-"Bausteine", wie MEMS und Funkschaltkreise, mit einem "digitalen Signalprozessor" (DSP) auf einem Silizium-CMOS-Chip in 65-nm-Technologie handelt. Auf der anderen Hand war die Herstellung anderer Technologiebausteine, wie die SiRes-MEMS, gar nicht so einfach, da ein völlig neuartiger Fabrikations-, Verarbeitungs- und Verkapselungsablauf erfunden werden musste und das dauerte letztendlich länger als erwartet, wollte man Geräte mit zufriedenstellender Leistung erzielen. Um derartige Probleme zu lösen, wurden Synergien mit einem anderen von der EU finanzierten RP7-Projekt genutzt, das sich mit ähnlichen MEMS-Problemen befasst, um Notfalltechnologie für die WISERBAN-SiRes-MEMS zu liefern. Welche konkreten Ergebnisse haben die Forschungsarbeiten bisher gebracht? Hierzu gehört die erste Version des WISERBAN SoC, das einen vollständigen MEMS-basierten Sender und einen digitalen Signalprozessor der icyflex-Baureihe auf einem CMOS-Chip in 65-nm-Technologie integriert und bereits im ersten Anlauf funktionstüchtig war. Gegenwärtig arbeiten die Teams an der Integration der übrigen Bausteine für die Endversion des SoC. Ein weiteres sehr interessantes Ergebnis ist die Verfügbarkeit der ersten Kleinstantennenprototypen, bei deren Entwicklung die strengen Umwelt- und Ausbreitungsbedingungen im Hinblick auf Endbenutzergehäuse (wie z. B. Gehäuse von Hörgeräten und Cochlearimplantaten) berücksichtigt wurden. Sowohl passive als auch aktive Antennen - aktiv bedeutet, dass im Gerät Einstellmechanismen integriert sind, um das gesamte 2,4-GHz-Frequenzband abzudecken - wurden erfolgreich auf Laborebene entwickelt und charakterisiert. Im nächsten Schritt werden sie jetzt mit dem WISERBAN-SoC kombiniert und die ordnungsgemäße Funktion wird bei der Integration in die ausgewählten Gehäuse überprüft. Bei den MEMS haben mehrere erste Prototypen erfolgreich die Entwicklungs- und Demonstrationsphase durchlaufen, wie z. B. BAW-Resonatoren und Filter sowie SAW-Filter. Die ersten vielversprechenden Ergebnisse für die SiRes MEMS konnten auf Wafer an der Luft erzielt werden, müssen aber noch in einem Vakuumbaustein bestätigt werden. Der nächste Schritt ist die Stabilisierung des SiRes-Bausteinprozesses, wobei es sich hierbei um ein wichtiges Problem handelt, mit dem wir uns gegenwärtig befassen. In Bezug auf die Software haben die industriellen Endbenutzerpartner einen gemeinsamen Rahmen für die Herstellung der Steuerungssoftware erarbeitet. Hinsichtlich der drahtlosen Netzwerke wurde ein dedizierter Protokollstapel für die Kommunikation mit geringer Leistungsaufnahme für die Körper-Sensor-Netzwerke entwickelt und optimiert. Das Potenzial dieses Protokolls wurde bereits an einem Benchmark-Sensor-Netzwerk mit Standard-Funkschaltkreisen demonstriert, um dann später ein WISERBAN-Netzwerk zu implementieren. Ab wann, denken Sie, können europäische Bürger von dieser Technologie profitieren? Sobald die WISERBAN-Technologie vollständig in Endprodukte integriert sind. Das sollte etwa 2015 der Fall sein - bei medizinischen Produkten eventuell später, da hierfür weitere Zertifizierungsschritte notwendig sind. Spezifische Bausteine, wie einige Schaltkreise oder MEMS-Geräte, könnten schon früher, etwa 2014, in Halbleiterprodukten eingesetzt werden. Wie sehen die nächsten Schritte des Projekts bzw. Ihre nächsten Forschungsthemen aus? Neben dem WISERBAN-Projekt haben sich mehrere Themen für künftige Forschungsarbeiten herauskristallisiert. WISERBAN beschäftigt sich gegenwärtig mit Anwendungen, die von winzigen Batterien betrieben werden - sodass ein erster Forschungsansatz den Ausbau der Systemintegration umfassen könnte, indem sie mit neuen Technologien der Energiegewinnung (Energy Harvesting) kombiniert werden, die Energie aus sich bewegenden Gliedmaßen, dem Herzschlag oder der Körperwärme gewinnen könnten. Ein anderer interessanter Ansatz ist die weitere Reduzierung von Volumen und Größe der drahtlosen Mikrosysteme, indem disruptive Funkarchitekturen mit CMOS-Technologien der nächsten Generation (z. B. CMOS mit bis zu 10 nm) oder Beyond-CMOS-Technologien (basierend auf Nanomaterialien) untersucht werden. Derartige Ansätze ebnen den Weg für Kommunikationsgeräte, die keine Energie verbrauchen und praktisch unsichtbar sind. Sie werden eine Vielzahl neuer Gesundheits- und Biomedizinanwendungen ermöglichen, wie z. B. intelligente Haut für Prothesen und unauffällige Geräte für die Überwachung einer gesunden Lebensführung und eines gesunden Alterns, Implantatnetzwerke für die Unterstützung chirurgischer Eingriffe oder winzige implantierte Neuro-Stimulations-Lösungen für die Behandlung neurologischer Störungen. Das Projekt wurde vom Centre Suisse d'Electronique et de Microtechnique (CSEM) in der Schweiz koordiniert.Weitere Informationen sind abrufbar unter: WISERBAN http://www.wiserban.eu/ Projektdatenblatt CSEM http://www.csem.ch/site/

Länder

Niederlande

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