KI-Netzhaut-Scanner zur Frühdiagnose diabetischer Retinopathie
Für eine zunehmende Zahl von Menschen erhöht sich aufgrund einer Diabeteserkrankung das Risiko für schwere Sehstörungen bis hin zu Blindheit. Diabetische Retinopathie (DR)(öffnet in neuem Fenster) ist eine Komplikation, bei der hohe Blutzuckerwerte die Netzhaut schädigen. Diabetische Retinopathie betrifft weltweit mehr als 160 Millionen Menschen und ist damit die häufigste Ursache für Blindheit infolge von Diabetes. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie kann das Behandlungsergebnis deutlich verbessern und bei 95 % aller Fälle einem Verlust des Sehvermögens vorbeugen. Derzeitige Screening- und Nachweismethoden sind allerdings noch teuer und erfordern Fachwissen für spezifische Medizintechnik. Massen-Screening-Programme sind daher insbesondere in Entwicklungsländern schwierig umzusetzen. „Herkömmliche Tischkameras kosten zwischen 25 000 und 90 000 USD und sind für ambulante Kliniken in Entwicklungsländern meist unerschwinglich. Smartphone-Apps wären hier eine kostengünstige Lösung, ihre Genauigkeit und Zuverlässigkeit sind jedoch mangelhaft“, sagt Aarti Kapoor(öffnet in neuem Fenster), kaufmännischer Geschäftsführer bei Oivi(öffnet in neuem Fenster) und Projektkoordinator von iScan. Das EU-finanzierte Projekt iScan entwickelte eine neue Scanmethode, die mit künstlicher Intelligenz (KI) arbeitet und kaum Fachwissen oder besondere Gerätetechnik erfordert. Die Kamera für die Netzhautanalyse wird durch eine Bildverarbeitungssoftware und einen KI-Algorithmus ergänzt, der die aufgenommenen Bilder auswertet, um Symptome einer diabetischen Retinopathie zu erkennen. Das mobile System ist sowohl für die hausärztliche Versorgung als auch für Apotheken geeignet. „So wollen wir die augenmedizinische Versorgung demokratisieren und allen Diabetesbetroffenen weltweit zugänglich machen“, fügt Kapoor hinzu.
Intelligentes Screening
Die iScan-Kamera erstellt ein digitales Foto von Augenhintergrund, Netzhaut (Umwandlung des einfallenden Lichts), Papille (Austrittsstelle des Sehnervs, die den „Blinden Fleck“ auf die Netzhaut projiziert) sowie Blutgefäßen. In den Frühstadien der Erkrankung werden vor allem die Blutgefäße in der Netzhaut geschädigt. So bilden sich an den Gefäßwänden winzige Ausbuchtungen, aus denen Flüssigkeit und Blut in die Netzhaut einsickern kann. Zudem können Nervenfasern in der Netzhaut anschwellen, weiße Flecken auf der Netzhaut erzeugen und Mikroaneurysmen sowie Netzhautblutungen verursachen. „Die iScan-Kamera erkennt automatisch Merkmale einer diabetischen Retinopathie und erstellt dabei ein spezifisches Netzwerk von Blutgefäßen, aus dem die Netzhaut erkennbar wird. Eine entsprechende Hardware für die neuronale Computer-Engine beschleunigt das Kamera-Screening in Echtzeit“, erklärt Kapoor.
Bereit für erste Versuche
Zuvor ist noch keine vollautomatisierte, tragbare und zuverlässige Lösung entwickelt worden, die einfache Handhabung, hohe Bildqualität und ein hochgenaues KI-System kombiniert. Da das System Ärzteschaft und Apotheken nur einen Bruchteil herkömmlicher Screening-Kameras kostet, sind bald weltweite flächendeckende Screening-Programme für diabetische Retinopathie greifbar, was vor allem Entwicklungsländern, aber auch Europa und anderen Industrieregionen zugute kommen dürfte. „Unser vorrangiger Zielmarkt sind Diabetesambulanzen und die hausärztliche Versorgung, da dort eine regelmäßige Diabeteskontrolle stattfindet. Weitere Adressaten sind große Kliniken für Augenheilkunde und deren eigene Netzwerke aus primären und sekundären augenmedizinischen Zentren im ländlichen Raum“, führt Kapoor aus. In den nächsten Entwicklungsphasen soll die Technologie miniaturisiert, für Dauerbetrieb eingerichtet und mit dem KI-System getestet werden, gefolgt von der Beantragung erforderlicher Zertifizierungen und behördlicher Zulassungen. Das iScan-Gerät liegt derzeit noch als Prototyp vor, wird jedoch demnächst in Augenkliniken in Indien und Norwegen getestet.