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Inhalt archiviert am 2024-04-22

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Feature Stories - Zuhause, im Auto und über den Wolken: drahtlose Datenübertragung im Gigabitformat

Eine wahre Revolution im Bereich der drahtlosen Kommunikation verspricht Funktechnik, die Daten mit Geschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde (Gb/s) überträgt, sehr wenig Strom verbraucht und sogar den Aufenthaltsort einer Person oder eines Objekts auf 50 cm genau bestimmen kann. EU-finanzierte Forschung unterstützt dabei den Sprung hinaus aus dem wissenschaftlichen Labor auf den freien Markt. Neue Anwendungen könnten beispielsweise automatische Steuerungen in Fahrzeugen sowie die drahtlose Kommunikation in Flugzeugen betreffen.

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Im Ultrabreitbandfunk, kurz Ultrabreitband (Ultra-wide band, UWB), werden Daten über ein breites Segment des Frequenzspektrums übertragen und empfangen. Aufgrund dieser Flexibilität ist UWB zumindest auf kurzen Entfernungen einigen anderen drahtlosen Kommunikationstechnologien ebenbürtig. Bei sehr hohen Datenübertragungsgeschwindigkeiten kann UWB eingesetzt werden, um große Datenmengen extrem schnell strömen zu lassen - hier werden zum Beispiel USB-Kabel, die Computer und mobile Geräte verbinden, ersetzt und übertroffen. Bei niedrigen Datenübertragungsgeschwindigkeiten bietet es einen robusten Kommunikationskanal und, was einzigartig ist, Besonderheiten in Bezug auf Echtzeit und präzises Ortsbestimmungsverhalten - und das alles bei einem Bruchteil des Stromverbrauchs von Wi-Fi, Bluetooth oder anderen kabellosen Technologien. Das Ganze klingt wie eine traumhafte Lösung für Wünsche wie etwa nach Video-Streams vom und zum Mobiltelefon, automatischer Einstellung eines Soundsystems auf einen bestimmten Platz im Raum oder einem kabellosen Anschluss von Sensoren und Stellmotoren in einem Auto. Bisher wurde eine kommerzielle Nutzung dieser Technik jedoch durch regulatorische Hürden behindert. UWB ist dank eines großen Segments der Funkfrequenzen - das zwischen 3 und 10 Gigahertz liegt - recht vielseitig, aber das bedeutet auch, dass mit dieser Technik arbeitende Geräte bei Frequenzen betrieben werden können, die anderen Diensten zugewiesen sind. In diese Situation kann man zum Beispiel bei WiMAX, Satellitenkommunikation oder Radaranwendungen geraten. Regulierungsbehörden befürchten daher, dass der Ultrabreitbandeinsatz zu unerwünschten Interferenzen mit anderen Technologien führen kann. In Forschungsarbeiten, Versuchen und Demonstrationen widmet man sich jetzt genau diesen Bedenken. "Regulatorische Probleme und Bedenken hinsichtlich Interferenzen waren die größten Herausforderungen, vor denen UWB schon immer stand, aber dank des in der der jüngsten Vergangenheit zu verzeichnenden revolutionären neuen Denkens im regulatorischen Umfeld ist nun ein Start dieser revolutionären Funktechnik innerhalb eines breiten Anwendungsbereichs ermöglicht worden", erläutert Sven Zeisberg, Professor für Telekommunikationstechnik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Dresden, Deutschland. Zeisberg - seit langem Befürworter des UWB - unterstützte innerhalb der letzten zehn Jahre den Start etlicher EU-finanzierter Initiativen zur Entwicklung und Anwendung der Funktechnologie, was letztlich im EUWB-Projekt ("European Ultra-Wideband") gipfelte. Das Projekt wird vom deutschen Technologieunternehmen GWT-TUD koordiniert und bezieht 26 industrielle, akademische und beratende Partner aus Europa und Israel ein. Es konnte UWB in ein breites Spektrum von Anwendungen implementieren und sein Potenzial als zukünftige drahtlose Kommunikationstechnologie beweisen, die nicht nur in vielen Umgebungen überaus nützlich, sondern außerdem robust und sicher ist und keine schädlichen Störungen bei anderen Funkdienstleistungen verursacht. "Gemeinsam mit dem Projektpartner EADS konnten wir sogar UWB-Anwendungen für die Flugzeugkabinenkommunikation demonstrieren. Weisen wir nach, dass der Einsatz von UWB in Flugzeugen sicher ist - und hier handelt es sich um eine der empfindlichsten Funkumgebungen überhaupt -, dann können wir auch beweisen, dass UWB fast überall verwendet werden kann", erläutert Zeisberg, EUWB-Qualitätsmanager und ehemaliger Projektkoordinator. Es wird allerdings wahrscheinlich aufgrund des strengen regulatorischen Umfelds des Luftverkehrssektors noch ein paar Jahre dauern, bis die UWB-Technik zur Kommunikation in Flugzeugen einsatzbereit ist, aber es gibt viele Anwendungen, die dem Boden und auch dem Markt bedeutend näher sind. Einige vermarktet man sogar schon heute. Drahtlose Ortung und längere Batterielebensdauer Projektpartner Veebeam entwickelte parallel zur Teilnahme an EUWB einen UWB-Sender, der drahtlos Inhalte vom Computer auf TV streamen kann, und brachte diesen bereits auf den Markt. Die HTW Dresden hat inzwischen ein Spin-off-Unternehmen, ZIGPOS, gegründet, um UWB-basierte Sensornetzwerkanwendungen zu kommerzialisieren. Eine weitere Gruppe von Partnern plant ein zweites Spin-off, um eine auf UWB basierende Alternative zu Wi-Fi anzubieten. Man arbeitet an der Implementierung des bevorstehenden IPv6-Internetprotokolls, um einen Zugangspunkt - den weltweit ersten seiner Art - mit Datenübertragungsraten von bis zu 1 Gb/s zu erstellen, wobei nur ein Hundertstel der Funkleistung der bereits existierenden Wi-Fi-Netzwerkverbindungen erforderlich sein wird. "Es gibt in vielen Industriezweigen viele kommerzielle Anwendungsfelder für UWB - viele Unternehmen sind äußerst interessiert an der Technologie", wie Zeisberg betont. Neben der Demonstration der Technologie für die Flugzeugkabinenkommunikation bewiesen die EUWB-Teammitglieder außerdem die Eignung im Bereich Fahrzeugsteuerungen. Die EUWB-Mannschaft konnte in Zusammenarbeit mit dem Projektpartner Bosch demonstrieren, wie UWB für drahtlose Befehls- und Steuerungsfunktionen eingesetzt werden kann und auf welche Weise die einzigartigen Ortsbestimmungsfunktionen eine Rolle bei intelligenten Fahrzeugen spielen könnten. Besitzt beispielsweise ein Paar ein gemeinsames Auto und hat jeder einen Schlüssel dafür, so könnte die UWB-Technik dafür sorgen, die Türen zu entriegeln und den Sitz, die Spiegel und das Lenkrad automatisch zu positionieren, je nachdem, welcher Schlüssel - also Schlüsselbesitzer - sich dem Fahrzeug annähert oder einsteigt. "Die Ortserkennung ist so genau, dass sogar bestimmt werden kann, wer auf dem Fahrersitz Platz genommen hat und wer der Beifahrer und die Insassen sind," so Zeisberg weiter. "Und da die zur Datenübertragung eingesetzte Energie so gering ist, würde die Batterie im Schlüssel extrem lange funktionieren." Diese beiden einzigartigen Eigenschaften des Ultrabreitbands - hochgenaue Standortbestimmung auf einen halben Meter genau und sehr geringer Stromverbrauch - wurden in zwei weiteren Demonstrationen des Projekts noch stärker herausgearbeitet. Eine in einem Haus der Zukunft von Philips installierte Demonstration ermöglicht dank UWB ein Heimkino-System, das einer Person im Raum nachfolgt und den Sound und die Lautsprecherbalance dementsprechend einstellt. "Mit Hilfe des UWB ist die Standortkennung nicht nur im aktiven Modus, sondern auch im passiven Modus möglich. Aufgrund der sehr breiten UWB-Funkfrequenz können wir die Umsetzung von der Frequenz in den Zeitbereich mit hoher zeitlicher Präzision ausführen", verdeutlicht Zeisberg. "UWB-Geräte ermöglichen auf Basis der verschiedenen Funkwellenausbreitungsgeschwindigkeiten und der zurückgesandten 'Echos' zu bestimmen, wo sich ein Objekt oder eine Person befindet - ähnlich funktioniert die Echoortung bei Fledermäusen." Im Rahmen einer weiteren Demonstration wurde UWB vom spanischen Projektpartner Telefónica I+D in Netzzugangsgeräte und mobile Geräte integriert, um große Datenmengen über relativ kurze Entfernungen zu senden. Der niedrige Energieverbrauch pro Bit im UWB ergibt eine ideale Technologie für zukünftige mobile Geräte, da drastisch verlängerte Batterielebensdauern zu erwarten sind - was in einer Zeit, in der datenintensive Anwendungen wie das Video-Streaming immer beliebter werden, entscheidende Bedeutung hat. Bei Durchsätzen von ca. 30 Mb/s, verbrauchen Sender unter Einsatz des aktuellen 802.11n Wi-Fi-Standards ungefähr 350 Milliwatt, wohingegen UWB-Sender bei gleicher Leistung zehnmal schneller senden, d. h. Übertragungen in einem Zehntel der Zeit abschließen und eine enorme Menge an Energie einsparen. "Mit den Telefónica-Versuchen konnten wir nicht nur die Vorteile von UWB für den schnelleren Datentransfer demonstrieren, wir haben auch bewiesen, dass Ultrabreitband neben anderen Funktechnologien arbeiten und koexistieren kann, ohne funktechnische Störungen zu verursachen", stellt Zeisberg klar. Der Schlüssel zur Vermeidung von Interferenzen, die andere drahtlose Technik gefährden könnte, sei trotz gemeinsamer Nutzung des Frequenzbands die geringe UWB-Sendeleistung. "Ein Staubsauger oder ein elektrischer Rasierer darf derzeit die gleiche bandexterne Energie emittieren, die UWB bandintern überträgt", erklärt Zeisberg. Der Nachteil dabei ist, dass UWB eine kurze Reichweite hat. Sie beträgt höchstens um die 30 Meter. Geringe Sendeleistung und kurze Reichweite sind jedoch wesentlich, um Interferenzen mit anderer Funktechnik zu vermeiden und ermöglichen sichere behördliche Zulassungen für neue UWB-Anwendungen überhaupt erst. "Die EUWB-Partner waren an all den jüngsten Bemühungen um europäische Rechtsvorschriften und Normen in Bezug auf UWB-Funktechnik beteiligt. Wir versuchen weiterhin, die Regulierungsbehörden zu überzeugen, dass UWB neben anderen Funktechnologien funktioniert - sogar in Flugzeugen", bekräftigt Professor Zeisberg. In Anbetracht der Resultate des EUWB-Projekts können die Forscher guter Hoffnung sein, dieses Ziel zu erreichen. Das EUWB-Projekt erhielt Forschungsmittel im IKT-Themenbereich "Network of the future" des Siebten Rahmenprogramms (RP7) der EU. Es erhielt im Juni in Polen die Auszeichnung "Bester Demonstratorstand 2011" der Konferenz Future Network and Mobile Summit. Nützliche Links: - Projekt "European Ultra-Wideband" - EUWB-Projektdatensatz auf CORDIS Weiterführende Artikel: - Kommunikation in Krisensituationen: Innovative EU-finanzierte Forschung macht's möglich - EU-gefördertes Projekt will Leistungspotenzial mobiler Geräte besser ausschöpfen - MODE macht Europa bereit für das Internet der Zukunft - Mit EU-Mitteln zu einem modernen Fahrkartensystem für Brünns Busse und Bahnen