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Inhalt archiviert am 2024-04-22

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Feature Stories - Vom E-Government zum We-Government

Europa verfolgt einen ehrgeizigen Plan, um bei der Befriedigung der öffentlichen Nachfrage nach intelligenteren, ineinandergreifenden elektronischen Behördendiensten das volle Potenzial der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) auszuschöpfen. In Großpilotprojekten angekurbelte kühne Maßnahmen stehen für die Erfüllung der Versprechungen des E-Governments ein.

Das Internet hat die Verbraucher durchaus für sich gewonnen, aber angesichts der Interoperabilitätsprobleme zwischen den Diensten und Verwaltungen sowie zwischen den einzelnen Ländern bleiben bislang noch viele Europäer von den Erfahrungen mit elektronischen Behördendiensten ausgeschlossen. In den Top 10 der E-Government-Bereitschaft finden sich viele EU-Länder, aber die Inanspruchnahme wird immer noch als eher gering erachtet. Die zur Verfügung stehenden Dienste sind Experten zufolge oft nicht ausreichend ausgereift und nicht attraktiv genug. Das gilt vor allem für die "Digital Natives" - jene Generation, die schon mit dem Internet aufgewachsen ist. "Der Hype um die elektronischen Behördendienste ist also nicht wirklich in der Realität angekommen. Europas Spitzenposition in Sachen eGovernment ist daher eher relativ", kommentierte Neelie Kroes, die für die Digitale Agenda zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, 2010 bei der Einführung eines EU-Aktionsplans für eGovernment. In dem Plan gehe es nicht um schrittweise Veränderung oder leere Versprechungen, sagte Kroes, sondern um praktische und ambitionierte Schritte, um Qualität, Stabilität und Effektivität des öffentlichen Sektors in Europa zu fördern. Angesichts schwieriger ökonomischer Entscheidungen und der komplexen sozialen Dynamik in Europa brauchen die Bürger heute mehr denn je einfache und intelligente Möglichkeiten, um mit ihren Regierungen in Kontakt zu gelangen und interagieren zu können. "IKT können öffentliche Dienstleistungen tatsächlich verändern und verbessern und damit erheblich zur Verringerung der Schuldenlast beitragen", merkte Kroes an. Die Digitale Agenda zielt überdies darauf ab, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die eine zweite Generation elektronischer Behördendienstleistungen blockieren. Um den wachsenden und sich verändernden Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden, müssen die Regierungen nun diese Bedürfnisse erst nehmen. Hier werden Web 2.0 und soziale Medien auf der ersten Generation von E-Government-Angeboten aufbauen und den Übergang zu einem neuen "We-Government"-Paradigma leisten. Reden ist gut, Handeln ist besser Und die Kommission spricht nicht nur über ihren Aktionsplan für elektronische Behördendienste und die Digitale Agenda: Sie lässt den Worten auch Taten folgen! "Die öffentlichen Verwaltungen müssen mit der Zeit gehen, ansonsten riskieren sie, in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen oder Schlimmeres", kommentierte EU-Kommissarin Kroes: "… und zu einem Hindernis für die Wettbewerbsfähigkeit und das Engagement der Bürger zu werden." Ziel ist, die Beiträge der Millionen Online-Bürger, "ein riesiges Reservoir an Fähigkeiten und Talenten" nutzbar zu machen, die eine Verbesserung der Dienstleistungskonzepte und der Servicebereitstellung unterstützen können. Die Kommission will ihrerseits gemäß einer Erklärung den Einsatz des elektronischen Beschaffungswesens verdoppeln, ihre Web-Präsenz bereinigen und aktualisieren, einen stärkeren Ansatz der offenen Datenpolitik verfolgen, und in den Bereichen, in denen das möglich ist, mutig in Richtung papierlose Verwaltung vorstoßen. Die Kommission fördert außerdem eine Flut innovativer Projekte, auch durch das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (Competitiveness and Innovation Framework Programme, CIP) finanzierte Großpilotprojekte, um die Grundlagen für den weiteren Fortschritt im Punkt elektronische Behördendienste zu legen. Dabei geht es zum Beispiel um Pilotprojekte, die Regierungen bei der Entwicklung von Diensten unterstützen, die den Umzug in andere Mitgliedstaaten oder die grenzübergreifende Vergabe von Aufträgen stark vereinfachen. "Ich hoffe, wir können auf die Erfahrungen dieser Großpilotprojekte aufbauen. Wir müssen diesen Erfolg in neue Bereiche wie E-Justiz (eJustice) und E-Beteiligung (eParticipation) übertragen", sagte EU-Kommissarin Kroes, "sowie die Interoperabilitätsprobleme überwinden, vor denen die Verwaltungen sowohl innerhalb der als auch zwischen den Mitgliedstaaten stehen." Sonne, Meer… und dann krank? Das epSOS-Pilotprojekt ("Smart open services for European patients") erleichtert es den Menschen, überall in der EU medizinische Hilfe in Anspruch nehmen zu können, indem sprachliche, behördliche und technische Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Derzeit halten zwei neue Dienste - elektronische Verschreibungen (ePrescriptions) und Auszüge aus elektronischen Patientenakten - Einzug in eine aktive Pilotprojektphase. Projektkoordinator Fredrik Linden von der Schwedischen Vereinigung lokaler Gebietskörperschaften und Regionen (Swedish Association of Local Authorities and Regions, SALAR) zufolge werden bis 2012 30.000 Experten das System nutzen. Die Herausforderung dabei sei, so Linden, die Lösungen in die Realität zu übertragen. Einige werden bereits jetzt von globalen Standardisierungsorganisationen übernommen. Das Projekt arbeitet zudem mit den USA zusammen, um konkurrierende Standards zu vermeiden. Ein weiteres Großpilotprojekt, das STORK-Projekt ("Secure identity across borders linked") führt derzeit ein System für grenzüberschreitendes elektronisches Identitätsmanagement (eIDM) und Authentifizierung ein. Das bedeutet im Einzelnen, dass Unternehmen, Bürger und Behördenmitarbeiter in der Lage sein werden, ihre nationalen elektronischen Personalausweise dazu zu benutzen, um in jedem Mitgliedstaat auf relevante öffentliche Dienstleistungen zugreifen zu können. Um dies zu erreichen, arbeiten 19 Mitgliedstaaten mit dem privaten Sektor zusammen, um eine Referenzarchitektur für die Verbindung der eID-Systeme verschiedener Länder auf eine interoperable Weise umzusetzen. "Hauptziel des Projekts ist es, das Leben der EU-Bürger einfacher zu machen, indem sichere Wege zum Zugang zu öffentlichen elektronischen Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten geschaffen werden", erläutert Miguel Álvarez Rodríguez, Leiter des STORK-Projekts. Die Vision des PEPPOL-Pilotprojekts ("Pan-European öffentlichen eProcurement on-line") besteht darin, dass jedes Unternehmen - egal, groß oder klein und aus welcher Branche - während der gesamten Beschaffungskette mit sämtlichen europäischen Regierungsstellen auf elektronische Weise kommunizieren kann. So kann sich dann zum Beispiel ein portugiesisches KMU mit Hilfe einfacher Onlineformulare und wiederverwendbarer Daten an einer Ausschreibung für einen kommunalen Auftrag in Mailand beteiligen. Das Projekt entwickelte Lösungen für elektronische Signaturen, Auftragserteilung (E-ordering), Katalogisierung (E-cataloguing) und Rechnungserstellung (E-Invoicing) während der gesamten Vertragslaufzeit. "Die Harmonisierung der elektronischen Signatur war einer unserer größten Erfolge", berichtet Andre Hoddevik, PEPPOL-Projektleiter. "Zu Beginn des Projekts hofften wir, dass 25-30% der Bescheinigungsbehörden ausländische Anbieter akzeptieren, [heute] aber decken wir 100% der vertrauenswürdigen Liste der Dienstleistungen und sogar einige außerhalb dieser Liste, darunter auch Russland, ab." Mit einfachen Schritten Grenzen überschreiten Hier kommt auch noch das SPOCS-Pilotprojekt ("Simple procedures online for cross -border services") ins Spiel. SPOCS arbeitet unter Einbeziehung der Ergebnisse von PEPPOL und STORK an der Überwindung der administrativen Hürden, vor denen europäische Unternehmen stehen, die ihre Dienste im Ausland anbieten. Das Projekt hilft Unternehmern dabei, Geschäftsbetriebe in anderen Mitgliedstaaten einzurichten oder zu erweitern. Man hat eine Plattform entwickelt, die den Zugang zu den einheitlichen Ansprechpartnern oder Kontaktstellen vereinfacht, die eingerichtet wurden, um die Unternehmen im Umgang mit dem Verwaltungsaufwand im grenzüberschreitenden Handel zu unterstützen. Und dort, wo SPOCS möglicherweise aufhört, übernimmt e-CODEX ("eJustice communication via online data exchange") den Taktstock. Die Mobilität - der Menschen und Unternehmen - innerhalb der EU nimmt zu. Die Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen nationalen Rechtssystemen wird dadurch immer komplexer. Das e-CODEX-Projekt geht diese "Komplexität" mit einem intelligenteren, modernisierten Einsatz neuer IKT an, die Bürger, Unternehmen, Verwaltungen und Juristen dabei unterstützen, neue Situationen zu bewältigen, in denen neues Handeln erforderlich ist. So werden schnellere Beschlüsse zu Streitigkeiten und reibungslosere grenzüberschreitende Transaktionen Realität, während gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit Europas verbessert wird. Sollten Sie dann online in einem anderen europäischen Land ein Fahrrad kaufen und der Verkäufer liefert nicht, so werden Ihnen die e-CODEX-Tools helfen, Ansprüche gegen den Verkäufer zu erheben. Und das Ganze "nicht verbunden mit dem Besuch verschiedener Behörden (und dem Ausfüllen verschiedener Formulare), sondern einfach vom eigenen Computer aus und alles in der eigenen Sprache", wie Projektkoordinator Carsten Schmidt erklärt. Die Regierungen könnten e-CODEX gleichermaßen nutzen, um Geldbußen einzutreiben, fährt er fort. "In einem anderen EU-Land zu schnell gefahren? Sie werden diesen Strafzettel von Ihrem eigenen Land erhalten!" Hin zu einem digitalen Binnenmarkt In Verbindung mit den Fortschritten aus STORK, PEPPOL und SPOCS wird auch e-CODEX dazu beitragen, die dem digitalen Binnenmarkt im Wege stehenden Barrieren niederzureißen. "Sowohl die Bürger als auch die Unternehmen müssen von Internetdiensten überall in Europa profitieren können, und das unabhängig von ihrem Herkunftsland", betonte Kroes. Europa verfüge über all die Voraussetzungen - verschiedene Kulturen, Sprachen und Verfahrensweisen -, um das Weltlabor auf dem Gebiet der Innovationen bei elektronischen Behördendiensten zu werden, so Kroes. Konkrete Anwendungen seien erforderlich, die den Anforderungen der immer weltklügeren und anspruchsvolleren Technologieanwender von heute entsprechen. Die Großpilotprojekte ebneten den Weg zu konkreten Resultaten. "Finden Sie die wirklichen Probleme in unseren Pilotprojekten… und setzen Sie sich mit ihnen auseinander", forderte die Kommissarin bei der Einleitung des Aktionsplans. "So lautet das Erfolgsrezept, um jeden Europäer ins digitale Zeitalter einzuladen." Nützliche Links: - epSOS - STORK - PEPPOL - SPOCS - e-CODEX - eGovernment Large-Scale Pilots, E-Government-Großpilotprojekte - Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation, CIP Weiterführende Artikel: - Von Kopernikus über Curie bis in die Jetztzeit: Polens glorreiche Ahnentafel der Wissenschaft

Schlüsselbegriffe

E-Government, eGovernment, elektronische Behördendienste, We-Government, digitale Agenda, eGovernment-Aktionsplan, E-Procurement, elektronisches Beschaffungswesen, Digital Natives, europäischer digitaler Binnenmarkt