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Inhalt archiviert am 2023-03-24

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Neue Empfehlungen zur Armutsbekämpfung in Europa

Die Mitglieder des EU-finanzierten Projekts IMPROVE haben ihre wichtigsten politischen Empfehlungen zu dem Thema zusammengefasst, wie europäische Regierungen Armut besser bekämpfen und den sozialen Zusammenhalt durch evidenzbasierte politische Maßnahmen verbessern können.

Die Mitglieder des IMPROVE-Projekts konzentrierten sich auf Maßnahmen, die von europäischen Regierungen vor, während und nach der Wirtschaftskrise von 2008 und 2009 unternommen wurden, um Armut zu vermindern und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Die wichtigsten Erkenntnisse wurden auf der Abschlusskonferenz des Projekts vorgestellt, die vom 3. bis 5. Februar 2016 in Antwerpen, Belgien, stattfand. Auswirkungen des demografischen Wandels und der Beschäftigungsquote auf die Armut Die Projektforscher stellten insgesamt fest, dass Armut kein statisches Phänomen ist und dass sich die ursächlichen Faktoren für ein Abgleiten in die Armut sowie ein Entkommen aus dieser zwischen den Ländern unterscheiden. Eine der wichtigsten Erkenntnisse war, dass demografische Veränderungen bei der Armutsbekämpfung relativ gesehen eine größere Rolle als andere Faktoren spielen, insbesondere in nordeuropäischen Ländern. In südeuropäischen Wirtschaftssystemen, die sich aufgrund der rasant alternden Bevölkerung seit längerem mit einer demografischen Krise konfrontiert sehen, war ein höheres Armutsrisiko zu beobachten. Außerdem wurde erkannt, dass eine steigende Beschäftigungsquote die Armut vor der Wirtschaftskrise nicht wesentlich verminderte, sondern dass Beschäftigungs- und Armutsraten häufig im spiegelbildlichen Verhältnis zueinander standen. „Durch einen Anstieg der Beschäftigungsquote um 10 % sinkt die Armutsrate um etwa 2,5 %, der genaue Wert schwankt jedoch von Land zu Land, und durch variierende Muster sinkt der Effekt auf bis zu 1,9 %“, erklärte Professor John Hills von der London School of Economics (LSE). „Kurz gefasst: Beschäftigung ist nicht alles.“ Nach dem Einsetzen der Krise war eine deutlich stärkere Korrelation zwischen sinkenden Beschäftigungsquoten und rasant zunehmender Armut zu beobachten, insbesondere in mittel-, ost- und südeuropäischen Ländern. Wirksame Maßnahmen zur Armutsbekämpfung In einigen der am stärksten von der Krise betroffenen Ländern waren manche Austeritätsmaßnahmen gut konzipiert, schließen die Projektmitglieder. Kürzungen der Gehälter im öffentlichen Dienst wirkten förderlich, vor allem in Griechenland, Portugal und in den baltischen Staaten. Veränderungen bei der direkten Besteuerung und den Sozialversicherungen waren im Allgemeinen ebenso positiv. Reformen zur Kürzung von Pensionen und Veränderungen bei Sozialleistungen führten, stark abhängig von ihrem strukturellen Aufbau, zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Projektmitglieder entdeckten außerdem, dass das Armutsniveau durch Anhebung des Mindestlohns nicht sonderlich beeinflusst wurde, da die meisten zum Mindestlohn arbeitenden Menschen bereits über der Armutsgrenze lebten. Eine Anhebung der Einkommensteuergrenze war jedoch von noch geringerer Wirkung, wie am Beispiel Großbritanniens und Belgiens belegt wurde. Eine Anhebung des Kindergelds war bei der Armutsbekämpfung dagegen deutlich effektiver, wobei sich die Projektmitglieder auf Fallstudien in Griechenland, Estland, Italien und Ungarn berufen. Diese Option ist jedoch auch mit hohen Kosten verbunden und könnte daher für ärmere EU-Länder deutlich schwerer umzusetzen sein. Orientierung bis zum Jahr 2020 und darüber hinaus Die Projektmitglieder betonen nachdrücklich, dass jedes Land bei der Armutsbekämpfung seine eigenen Erfahrungen sammelt, da je nach Wirtschaftsleistung, Sozialsystem und bereits wirksam umgesetzten politischen Maßnahmen unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden. Die 2000er Jahre waren für die Armutsbekämpfung in Europa ein „verlorenes Jahrzehnt“, da Regierungen mit Änderungen am Sozialsystem oft das Gegenteil von dem erreichten, was angestrebt wurde. Die Projektergebnisse sprechen insgesamt dafür, dass die Armutsbekämpfung durch eine jährliche finanzielle Anpassung von Sozialleistungen und Steuergrenzen besser unterstützt werden kann als mit tiefgreifenden Strukturreformen. Wenn diese Grenzwerte nicht regelmäßig an die gegebenen wirtschaftlichen Faktoren (wie z. B. die Inflationsrate) angepasst werden, kann mit anderen politischen Instrumenten nur sehr viel schwerer eine spürbare Wirkung erzielt werden. Am Ende der Konferenz betonte Stefaan Hermans (Leiter des Kabinetts unter Marianne Thyssen, der EU-Kommissarin für Beschäftigung, soziale Angelegenheiten, Qualifikationen und Mobilität der Arbeitnehmer) in seinem Vortrag, dass es von hoher Bedeutung sei, in der politischen Agenda der EU die im IMPROVE-Projekt gesammelten Erkenntnisse zu berücksichtigen. „Es ist eindeutig, dass wir, wenn bei der Armutsbekämpfung in Europa Fortschritte verzeichnen wollen, die richtigen Herangehensweisen, zuverlässige Daten, einen gemeinsamen Diskurs und gemeinsame Auffassungen haben“, schloss er.

Länder

Belgien

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