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Inhalt archiviert am 2023-03-24

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Das menschliche Gehirn – der Schlüssel zu besserer künstlicher Intelligenz

Ein tieferes Verständnis davon, wie sich unser Gehirn im Lauf des Lebens weiterentwickelt und uns so ermöglicht, uns anzupassen und komplexe Fertigkeiten wie eine Sprache zu erlernen, könnte eines Tages zu intelligenteren Robotern führen.

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Wie können Menschen schon von Kindesalter an komplexe Sprachen erlernen? Und warum kommen wir, nachdem wir an einer Knobelaufgabe scheiterten, die einen unkonventionellen Lösungsansatz erfordert (etwa an dem Neun-Punkte-Problem, bei dem neun quadratisch im Raster angeordnete Punkte mit vier geraden Linien zu verbinden sind, ohne den Stift abzuheben), am nächsten Morgen ganz plötzlich auf die Lösung? In INSIGHT, einem bahnbrechendem EU-geförderten Projekt, das von einem Pionier der theoretischen Evolutionsbiologie geleitet wurde, erforschten Wissenschaftler, wie genau wir Probleme lösen, indem sie untersuchten, wie im menschlichen Gehirn Ideen entstehen und wie sich dieser Prozess im Lauf des Lebens möglicherweise verändert. Die Erkenntnisse könnten für die Programmierung von Robotern, die eigenständig Aufgaben lösen können, von Bedeutung sein und darüber hinaus erklären, wie sich die menschliche Sprache entwickelte. „Das ergebnisoffene Problemlösen und Lernen liegt weit über dem, was derzeit mit Maschinen erreicht werden kann“, erklärt Professor Eörs Szathmáry, Direktor des „Parmenides Centre for the Conceptual Foundations of Science“ der Parmenides Stiftung in München und Professor für Biologie an der Eötvös-Universität in Budapest. „Robotern fehlen insbesondere noch geeignete Algorithmen, um in verschiedenen Zusammenhängen Aufgaben zu lösen, die eine neuartige Herangehensweise erfordern. Genau dies ist für die Intelligenz des Menschen jedoch charakteristisch.“ Wenn wir Menschen mit einer Aufgabe konfrontiert sind, können wir neue, sinnvollere Lösungsansätze entwickeln, anstatt nur alle bereits bekannten Lösungsansätze durchzuprobieren, und aus diesem Prozess lernen. Dank unserer Kreativität können wir also Probleme lösen, die uns zuvor unbekannt waren, was künstlicher Intelligenz Schwierigkeiten bereitet. Über mehrere Jahre hinweg lernen wir beispielsweise durch Erfahrung und Spiel das Laufen und Sprechen sowie den Umgang mit anderen Menschen, und die Entwicklung komplexer, wissenserweiternder Aussagensysteme wie Einsteins Relativitätstheorie kann ein ganzes Jahrzehnt oder länger in Anspruch nehmen. Oft kommen wir auch ganz plötzlich und mit gewisser Verspätung auf die Lösung einer Aufgabe, was nahelegt, dass bei der Problemlösung auch unbewusste Vorgänge eine wichtige Rolle spielen. Die Entwicklung einer Idee „Die auffälligen Ähnlichkeiten zwischen der Entwicklung von Ideen und der Evolution führten uns zur Hypothese, dass im menschlichen zentralen Nervensystem ein Leben lang stetig kognitive Anpassungen stattfinden, die durch ‚neuronale‘ natürliche Auslese erreicht werden“, erklärt Szathmáry. „Diesen Vorgang bezeichnen wir als Darwinsche Neurodynamik.“ Mithilfe von Computersimulationen, Robotern, der Untersuchung von Zellkulturen und humanpsychologischen Experimenten sowie Neuroimaging fanden die INSIGHT-Forscher Belege für diese Theorie. Beispielsweise wurden die Neuronen von Ratten stimuliert, um temporale Aktivitätsmuster zu erzeugen, die aufgezeichnet und anschließend einem weiteren Netzwerk wiedergegeben wurden, um festzustellen, ob die Informationen kopiert werden konnten. Zudem wurden Roboter mit Algorithmen für natürliche Selektion ausgestattet, um sie ergebnisoffen, kreativ und autonom forschen zu lassen. Anschließend wurde überprüft, ob diese sich selbst ein Ziel setzen konnten. „Tatsächlich stellten wir fest, dass ein Roboter seine eigenen Regeln entwickeln konnte, die der künstlichen Auslese nach dem Prinzip, sich einer vorgegebenen Funktion entsprechend zu entwickeln, widersprachen“, so Szathmáry. „Letztendlich könnten Roboter somit eigene Werte und Bedürfnisse und sogar ein eigenes Bewusstsein entwickeln.“ Um diese Hypothese zu überprüfen, entwickelten die Projektmitglieder ein neues Toolkit für evolutionäre Robotik, mit dem jedermann mit einem Computer in physikbasierten Simulationen Roboterkörper und Robotergehirne entwickeln, entwickelte Körperteile per 3D-Druck herstellen, den gesamten Roboter produzieren und sein Verhalten in der Realität beobachten kann. Darüber hinaus wurden Fortschritte dabei erzielt, abzubilden, wie die Darwinsche Dynamik bei der Verarbeitung von Sprache eine entscheidende Rolle spielt. Diese Forschungsarbeit wird weitreichende Auswirkungen haben. Eine interessante Feststellung könnte sein, dass die evolutionären Vorgänge im Gehirn möglicherweise noch intensiver ablaufen als in freier Wildbahn, da sie durch Lernvorgänge verändert und geleitet werden. Obwohl viele Aussagen des INSIGHT-Projekts lediglich spekulativ sind und die Modelle noch weiter verbessert werden müssen, formulieren die Mitglieder nun bereits eine Theorie, die eines Tages zu eigenständig lernenden Maschinen, zur intelligenteren Übersetzung von Sprache sowie zu neuen Methoden führen könnte, Wissen zu vermitteln und Probleme zu lösen. Weitere Informationen: ROBOGEN-Website

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