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Systems medicine of chronic inflammatory bowel disease

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Neuer Klassifizierungsansatz für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) sind entzündliche Veränderungen des Darms, an denen alleine in Europa etwa 5 von 100 000 Menschen leiden. Die Erkrankung ist nicht heilbar, sondern lediglich durch palliative Langzeittherapie behandelbar. Die Notwendigkeit therapeutischer Interventionen ist also klar gegeben.

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Der NF-kappaB-Signalweg ist ein wichtiger zellulärer Signalweg, der an der Entstehung von Entzündungen und Krebs beteiligt ist. Seine Funktionsweise basiert auf der Regulierung der Genexpression durch den Transkriptionsfaktor NF-kappaB, und es mehren sich die Hinweise darauf, dass der Pfad dynamisch gesteuert wird. Wie bei vielen Prozessen, die zirkadianen Mustern folgen, zeigen sich auch bei NF-kappaB anhaltende Oszillationen, deren biologische Relevanz erst allmählich deutlich wird. Um zu untersuchen, wie NF-kappaB-Oszillationen mit CED in Verbindung stehen, schlug das EU-finanzierte Projekt SYSMEDIBD einen systemmedizinischen Ansatz vor. „Das übergeordnete Ziel war es, den Erkrankungsmechanismus besser zu verstehen und neue Biomarker zu entwickeln, die zur Stratifizierung von Patienten und für individualisierte Behandlungen herangezogen werden können“, so Projektkoordinator Professor Werner Müller. Die beiden kleinen bis mittleren Unternehmen GeneXplain und Lifeglimmer trugen maßgeblich zum Gesamterfolg des Projekts bei. Um den Prozess der chronischen Entzündung zu beschreiben, haben die Wissenschaftler von SYSMEDIBD mathematische Modelle entwickelt, deren Schwerpunkt insbesondere auf dem NF-kappaB-Signalweg liegt. Die daraus gewonnenen in-silico-Ergebnisse wurden anhand von Tiermodellen der Erkrankung sowie an Patientenproben validiert. Visualisierung der Dynamik von NF-kappaB Um die Aktivierung des NF-kappaB-Signalwegs in vivo zu messen, hat das Konsortium Tiermodelle mit fluoreszenzmarkierten Signalwegskomponenten erstellt. Dieser Ansatz ermöglichte es den Forschern, Zellen mittels Fluoreszenzmikroskopie zu verfolgen und die NF-kappaB-Oszillationsfrequenzen verschiedener Zelltypen zu bestimmen. „Auf der Grundlage dieser Arbeit konnten wir außerdem die Signaltransduktionsdynamik von NF-kappaB in primären Zellen von Patienten messen“, so Professor Müller weiter. Dabei stellten die Forscher in den Signalen, die in diesen Zelltypen eine NF-kappaB-Oszillation auslösten, selektive Entzündungsmediatoren fest. Beachtlich war auch, dass sie eine minimale Genmenge identifizieren konnten, die für die Dynamik des NF-kappaB-Signalwegs beim Menschen verantwortlich ist. Klinische Implikationen Mit dem SYSMEDIBD-Ansatz gelang den Forschern bei den beiden bedeutendsten klinischen CED – Morbus Crohn und Colitis ulcerosa – eine Patientenstratifizierung in weitere Untergruppen. Mit Hilfe von Messungen der dynamischen NF-kappaB-Aktivierung an Patienten-Blutzellen beobachteten sie, ob sich stärkere bzw. schwächere Reaktionen zeigten als bei den Kontrollprobanden. Die SYSMEDIBD-Partner arbeiten zwar daran, den Unterschied zwischen hyper- und hyporeaktiven Patienten mit Colitis ulcerosa besser zu verstehen, vorliegende Daten lassen jedoch bereits auf eine mögliche Verbindung von NF-kappaB-Dynamik und der Pathophysiologie der Erkrankung schließen. Zu den weiteren wichtigen Leistungen des Projekts zählt ein in-silico-Rahmenkonzept zur Untersuchung der Wechselwirkungen von NF-kappaB und anderen Signalwegen. Damit untersuchten die Forscher rund eine Million natürlicher Verbindungen und kleiner Moleküle auf ihr Potenzial, mit dem NF-kappaB-Signalweg zu interferieren. Dabei identifizierten sie unter anderem eine Antibiotikagruppe, die sogenannten Makroliden, die bei in-vitro-Assays die NF-kappaB-Aktivierung gehemmt und Entzündungen reduziert hatten. Die SYSMEDIBD-Studie konnte nicht nur die Dynamik des NF-kappaB-Signalwegs während der Darmentzündung visualisieren, sondern auch genetische Mutationen identifizieren, die mit einer erhöhten Anfälligkeit für CED assoziiert werden. Dies sollte die Charakterisierung und Stratifizierung von CED-Patienten weiter erleichtern. Professor Müller rechnet damit, dass „die Informationen und Werkzeuge von SYSMEDIBD zur besseren Diagnose bei Patienten zum Einsatz kommen werden und dabei Komorbiditäten der Erkrankung berücksichtigt werden“. In Studien an klinischen Proben und Mausmodellen gelang es dem SYSMEDIBD-Team, genetische Varianten in einem bestimmten zellulären Signalweg, dem sogenannten Autophagie-Signalweg, mit dem NF-kappaB-Signalweg in Verbindung zu bringen. „Diese überraschende Erkenntnis gibt neuen Aufschluss über die Regulierung der Signalkaskaden bei chronischer Entzündung und könnte klinisch verwertbar sein“, sagt Professor Rosenstiel, Leiter der Arbeitsgruppe Genomanalyse. Aus therapeutischer Sicht lassen die Ergebnisse der SYSMEDIBD-Studie darauf schließen, dass sich durch das Eingreifen in die Oszillation biologischer Signalwege neue Möglichkeiten bieten könnten, auf Prozesse wie Entzündungen einzuwirken. In Verbindung mit einer Ernährungsintervention und der Verwendung von Makroliden zur Therapie sieht die Zukunft der CED-Behandlung durchaus vielversprechend aus.

Schlüsselbegriffe

SysmedIBD, NF-kappaB, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED), Oszillation, Makroliden

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