Mobile App zur Behandlung von Schlafstörungen
Das EU-finanzierte Projekt LTS unterstützt die Markteinführung einer digitalisierten kognitiven Verhaltenstherapie zur Behandlung von Schlaflosigkeit mittels einer Smartphone-App. „Die Zielgruppe sind Menschen mit mittleren bis schweren Schlafproblemen“, sagt Micael Gustafsson, Koordinator des Projekts und Geschäftsführer bei Learning To Sleep(öffnet in neuem Fenster), dem schwedischen Unternehmen, von dem das System entwickelt wurde. „Rund die Hälfte der Patientinnen und Patienten, die sich an uns wenden, nehmen Schlaftabletten ein.“ Schlaflosigkeit wird häufig mit Stress in Verbindung gebracht. In Ländern wie dem Vereinigten Königreich schlafen über 40 % der Erwerbsbevölkerung weniger als 6 Stunden pro Nacht“, merkt Gustafsson an. „Die Menschen sind heute viel beschäftigt. Sie meinen, dass sie keine Zeit zum Schlafen haben, weil sie sich ja um die Kinder oder die Karriere kümmern müssen oder in den sozialen Medien nichts verpassen dürfen.“ Langfristig kann dies jedoch die allgemeine Gesundheit beeinträchtigen und den natürlichen Schlafrhythmus des Körpers durcheinanderbringen. „Diese innere Uhr stellt sich bei vielen Menschen von selbst wieder ein, doch bei Menschen mit Schlafproblemen ist das eben nicht der Fall“, so Gustafsson.
Einhaltung der Empfehlungen an erster Stelle
Selbsthilfe-Apps existieren bereits. „Tatsächlich halten sich aber nur 3 bis 4 % der Patientinnen und Patienten an das Therapieprogramm. Wir stehen hier also vor einem erheblichen Problem in Bezug auf die Einhaltung und Befolgung“, fügt Gustafsson hinzu. Die LTS-App nutzt einen Algorithmus, der sich auf persönliche Schlafdaten aus einem Fragebogen stützt. Über die App erfährt man dann, wann man ins Bett gehen und aufstehen soll, und erhält individuelle Empfehlungen zu hilfreichen Übungen sowie Informationen zum Schlaf. Das Angebot der App wird abgerundet durch ein integriertes Tagebuch, das täglich geführt wird, und insbesondere durch Fernbehandlungen, die von einer echten Therapiefachkraft durchgeführt werden, um die Einhaltung zu unterstützen. Die wöchentliche Therapiesitzung, die in der Regel 10 bis 20 Minuten dauert, wird über die Audio-, Video- oder Chatfunktion der App angeboten. „Bei 99 % der Teilnehmenden hat sich erwiesen, dass eine solche Therapiesitzung pro Woche ausreicht“, stellt der Projektkoordinator fest.
Schlafbeschränkungstherapie
Im Rahmen der LTS-App wird Schlaflosigkeit mittels Schlafbeschränkung behandelt. Diese evidenzbasierte Methode findet schon seit Langem Anwendung in der Medizin. Die Schlafdauer wird hier auf ein Minimum reduziert – rund 4,5 bis 5 Stunden pro Nacht – und über einen Zeitraum von 5 Wochen allmählich gesteigert. „Es scheint widersprüchlich, doch man muss weniger schlafen, damit das Gehirn wirklich schlafen möchte. Wenn das dann der Fall ist, stellt es sich von Neuem ein“, erklärt Gustafsson. „Wir verfolgen den persönlichen Fortschritt über den Behandlungszeitraum von 5 Wochen, wobei im Hintergrund eine Psychologin oder ein Psychologe bei der Befolgung des Programms hilft – das entspricht dann eher der Rolle eines Coachs als der eines Therapeuten“, merkt er an. „Man wird sehr müde und braucht also jemanden, von dem man zum Weitermachen animiert wird, denn der Wendepunkt kommt etwa in der dritten oder vierten Woche.“
Anwendung in Gesundheitssystemen
Zu Beginn des Jahres 2019 wurde die LTS-Lösung von der schwedischen Gesundheitsbehörde genehmigt, die darüber hinaus die Behandlungskosten zurückerstattet. Wie Gustafsson erläutert, verringert sich mit der App die Arbeitszeit einer psychologischen Fachkraft von bis zu 16 Stunden bei klassischen Therapiesitzungen auf 1 Stunde und 15 Minuten. „Wir führen die Behandlung zu einem Fünftel der regulären Kosten durch. Für das Gesundheitssystem bedeutet das eine beträchtliche Ersparnis.“ Dank der EU-Finanzierung konnten Machbarkeitsstudien in Deutschland, Frankreich, Spanien und dem Vereinigten Königreich durchgeführt werden. „Unsere Pilotstudie in London führte zu demselben Ergebnis wie in Schweden – bei 94 % der Teilnehmenden stellte sich eine Verbesserung ein“, fügt Gustafsson hinzu. „Die digitale Interaktion ist kosteneffizient, gleichzeitig bleibt dabei der menschliche Faktor für Personen mit schweren Schlafproblemen erhalten, denn sie benötigen ein zusätzliches Gesprächsangebot. Es wird wahrscheinlich noch lange dauern, bis es psychologisch geschulte Roboter gibt, die diese Rolle übernehmen können“, mutmaßt er abschließend.