Erneuerbare Energien für innovative Aquakulturen auf offener See
Obwohl die Aquakultur seit einigen Jahren enorme Fortschritte verzeichnet, gestaltet sich die Zucht von Meeresfischen in Küstengewässern mitunter schwierig. „Geeignete Standorte sind rar, und auch Umweltverschmutzung und mangelnde Nachhaltigkeit werde immer wieder zur Sprache gebracht“, erklärt Fabrizio Lagasco vom italienischen Unternehmen RINA Consulting(öffnet in neuem Fenster) und Koordinator des Projekts The Blue Growth Farm(öffnet in neuem Fenster) (BGF). „Probleme bestehen oft auch wegen behördlicher Vorgaben oder Widerstand der örtlichen Bevölkerung.“
Multifunktionale Offshore-Plattform
Im Gegenzug entwickelte das EU-finanzierte Projekt BGF eine multifunktionale küstennahe Aquakulturplattform, die moderne automatisierte Fischproduktion mit erneuerbaren Energien wie Wind- und Wellenkraft sowie Photovoltaik kombiniert. „In den letzten Jahren entstanden verschiedene Entwürfe für Offshore-Fischzuchtanlagen“, so Lagasco, „die sich allerdings nicht durchsetzten, prinzipiell wegen oftmals schwieriger Witterungsbedingungen vor der Küste, nicht hinreichend bekannter oder getesteter Technologien und schließlich auch aus Kostengründen.“ Um all diese Probleme zu lösen, konzipierte das Projekt zunächst Modelle im Plattform-Maßstab, deren Effizienz und Stabilität in Wellentanks und später auf See getestet wurde. Inwieweit die Fischproduktion in Aquakulturen mit erneuerbaren Energieträgern möglich ist, wurde in kleinerem Maßstab an Fischen experimentell getestet. Anschließend wurden diese Energiesysteme, u. a. eine 10-MW-Windturbine, vollständig in das endgültige Design der Offshore-Fischzuchtanlage integriert. Sämtliche auf der Plattform erzeugte Energie wird für den Gerätebetrieb genutzt und um die Batterien der Hybridmotoren von Serviceschiffen zu laden. Überschüssige Energie kann sogar per Unterwasserkabel ins Landnetz eingespeist werden.
Demonstration der Seetauglichkeit
Nachdem der Prototyp der Plattform auf einem Schwimmkranschiff auf See verbracht, dort positioniert und verankert worden war, zeigte sich im realen Maßstab, dass selbst sechs Meter hohe Wellen der Anlage nichts ausmachen und die Wasserbedingungen für die Fische im Innern der Aquakulturbecken ruhiger sind. Zudem ist das System per Fernsteuerung von Land aus bedienbar, wenn schlechte Witterung auf See den Zugang zur Plattform einschränkt. „Die vollständig abgeschlossene Entwicklung der Plattform und die Integration verschiedener Technologien waren ein großer Erfolg für uns“, ergänzt Lagasco. „Auch der spezifische Schulungsbedarf für den Betrieb der Plattform und der Wartungsaufwand konnte ermittelt werden.“ Weiterhin wurde die gesellschaftliche Akzeptanz solcher Multifunktionsplattformen untersucht. In Versammlungen und Besprechungen mit Gemeinden vor Ort wurden die positiven Aspekte herausgearbeitet, die die öffentliche Wahrnehmung von Offshore-Infrastrukturen beeinflussen, Vorteile waren hier für die Gemeinden vor allem die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen.
Nachhaltigkeit auf See
Basierend auf den positiven Ergebnissen von BGF wird die Arbeitsgruppe im Einklang mit Investoreninteressen nun die Optimierung und Kommerzialisierung vorantreiben, so Lagasco. Zudem könnte die Infrastruktur der Plattformen für den Seeverkehr und das Monitoring von Meeresressourcen(öffnet in neuem Fenster) genutzt werden. Kostenreduktionen sind über maschinelle Lernsoftware und Sensoren auf den Plattformen möglich, die das Bedienpersonal über jeglichen Wartungsbedarf informieren. „Für die Industrie ist die Infrastruktur attraktiv, weil sie rund ums Jahr eine umweltfreundliche, rentable Fischproduktion für die menschliche Ernährung garantiert, was auch die Ausbeutung der Meere reduziert“, erklärt Lagasco. „Durch maximierte Stromerzeugung und -nutzung vor Ort ist das System zudem energieautark.“ Langfristig könnte das Projekt dazu beitragen, Ressourcen auf offenem Meer nachhaltiger zu nutzen. Indem das Projekt BGF die dringend erforderliche Energieunabhängigkeit Europas und ökologische Nachhaltigkeit fördert, unterstützt es die europäische Aquakulturindustrie und das Ziel der EU, Klimaneutralität(öffnet in neuem Fenster) zu erreichen.