Neue Erkenntnisse über Muskelschwund
Muskelschwund bedeutet einen schwerwiegenden und fortschreitenden Verlust von Muskelmasse im Skelettbereich, der die gesundheitliche Verfassung des Menschen beeinträchtigt sowie Muskelschwäche und Behinderung mit sich bringt. Die Behandlungen von heute zielen darauf ab, den Muskelschwund zu verlangsamen. Es ist jedoch keine wirkliche Heilung in Sicht, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass Muskelschwund keine eindeutige Ursache hat. „Muskelschwund ist das Endergebnis eines komplexen Phänomens, bei dem viele verschiedene Faktoren zur Entwicklung von Muskelathropie beitragen“, erklärt Andrea Armani, postdoktoraler Marie-Skłodowska-Curie-Stipendiat an der Universität Padua in Italien. „Die Bekämpfung des Phänomens in seiner Gesamtheit ist daher recht kompliziert, vor allem deshalb, weil wir immer noch nicht über umfassendes Wissen über die bei muskelabbauenden Krankheiten aktivierten molekularen Mechanismen verfügen“, ergänzt er. Mit dem Projekt Myo_LysoZOOM verfolgte Armani das Ziel, diese Wissenslücke zu schließen, indem unser Kenntnisstand über die zugrunde liegenden Mechanismen zur Erhaltung und Regulierung von Muskelmasse und Gesundheit erweitert wird.
Die mysteriöse lysosomale Signatur bei Muskelschwund erkunden
Armanis Forschung, die im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen finanziert wurde, konzentrierte sich auf einen spezifischen Zusammenhang zwischen Muskelathropie und Lysosomen-Signalgebung. Dabei handelt es sich um Organellen in den Zellen, von denen bis vor kurzem angenommen wurde, dass sie im Wesentlichen nur als Abfall geltende Bestandteile zerstören und entfernen. „In den letzten anderthalb Jahrzehnten wurden Lysosomen als grundlegende Stationen für Zellsignalisierung und -wachstum wiederentdeckt, die nicht nur als Abbaustationen dienen“, sagt Armani. Diese Forschungen haben gezeigt, dass Lysosomen als Drehscheiben der Signalisierung dienen. Sie modifizieren intrazelluläre Signale als Reaktion auf Umweltfaktoren, wobei sie beispielsweise den zellulären Anabolismus und Katabolismus (den Auf- bzw. Abbau von Molekülen) regulieren. Da dieses Gleichgewicht zwischen diesen beiden Prozessen die Muskelmasse bestimmt, wollten Armani und sein Team deren genaue Funktion bei der Muskelhomöostase erforschen. Das Team führte eine Reihe von Experimenten durch, bei denen eine bahnbrechende Methode zur Reinigung von Organellen aus verschiedenen muskelabbauenden Zuständen zum Einsatz kam, um deren Inhalt und Wechselwirkungen aufzuklären. „Wir haben folglich versucht, die geheimnisvolle lysosomale Signatur zu entschlüsseln, welche die Muskelmasse in gesunden und kranken Tagen kontrolliert“, erklärt er.
Unerwartete Ergebnisse bei lysosomaler Funktion
Die wichtigste Entdeckung sei, dass einige zelluläre Merkmale, welche die zelluläre Bioenergetik steuern, in Lysosomen oder in bestimmten Teilen angereichert seien, erklärt Armani, aber weitere Einzelheiten könnten erst nach der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse im Lauf dieses Jahres bekanntgegeben werden. „Das wichtigste Ergebnis ist die Wiederentdeckung oder besser gesagt die Aufklärung eines alten zytosolischen Prozesses auf der Ebene der lysosomalen Oberfläche“, sagt er und bezieht sich dabei auf Zytosol, eine in den meisten Zellen zu findende Flüssigkeit. „Dieses Resultat war nur dank der methodischen Fortschritte möglich, die ich optimiert habe. Diese bildeten den Schlüssel zur Aufklärung von auf der Oberfläche dieser Organellen ablaufender biologischer Prozesse, die mit den traditionellen Methoden übersehen worden wären.“
Muskelschwund weiter erforschen
Während das Projekt Myo_LysoZOOM nun abgeschlossen ist, wird Armani die Daten und Ergebnisse als den Ausgangspunkt für eine neue Forschungslinie nutzen, wobei das Ziel darin besteht, neuartige lysosomale Signale aufzuklären, die für die Muskelphysiologie wichtig sind. „Ich werde diese Forschungslinie leiten und arbeite gegenwärtig an der Universität Zürich, wo ich der Pompe-Krankheit zugrunde liegende lysosomale Signalabweichungen untersuche“, erläutert Armani. Er geht davon aus, dass die Ergebnisse für die breitere wissenschaftliche Gemeinschaft von Nutzen sein werden, da sie den ersten Atlas der lysosomalen Signalereignisse oder Signale im Skelettmuskel darstellen. „Wir hoffen, dass all diese Ergebnisse die Grundlage für die Entwicklung neuer Therapien für verschiedene Muskelkrankheiten bilden werden, die auf einem stärker wissensbasierten und personalisierten Ansatz beruhen“, fügt Armani hinzu.
Schlüsselbegriffe
Myo_LysoZOOM, Lysosom, Signatur, Muskelschwund, Funktion, Forschung