Einzelmolekül-Biophysik im Hochdurchsatz-Zeitalter
Die Möglichkeit, große Bibliotheken von DNS-, RNA- und Proteinsequenzen auf Einzelmolekülebene zu untersuchen, stellt seit langem ein wichtiges Ziel der Biophysik dar, dessen Versprechen lautet, neue Dimensionen des Wissens über Moleküle zu erschließen. „Da die Forschenden die Dynamik und die Interaktionen einzelner Moleküle untersuchen können, würden Studien dieser Art ein tieferes Verständnis biologischer Prozesse bewirken“, sagt Chirlmin Joo(öffnet in neuem Fenster), Biophysiker an der Technischen Universität Delft(öffnet in neuem Fenster). „Außerdem würde die Tür zu neuen Möglichkeiten der Behandlung von genetischen Störungen, Krebs und weiteren Krankheiten geöffnet.“ Die Arbeit des vom Europäischen Forschungsrat(öffnet in neuem Fenster) unterstützten Projekts MIGHTY_RNA trägt dazu bei, diese seit langem bestehende Einschränkung zu überwinden. Im Mittelpunkt dieser Initiative steht SPARXS, eine innovative Plattform, die Einzelmolekül-Fluoreszenzmessungen mit Sequenzierung der nächsten Generation verbindet, um sequenzspezifische biophysikalische Hochdurchsatzuntersuchungen zu ermöglichen. „Diese bahnbrechende Lösung gestattet die gleichzeitige kinetische und strukturelle Charakterisierung von Millionen Molekülen mit Tausenden einzigartigen Sequenzen“, erklärt Joo, was das Verständnis ihrer Form und ihres Verhaltens beschleunige.
Herausforderungen meistern
Bei der Entwicklung der SPARXS-Plattform mussten die Forscherinnen und Forscher mehrere Herausforderungen bewältigen. Eine davon bestand in der Gewährleistung der Kompatibilität der Einzelmolekülfluoreszenzdetektion und der Sequenzierungsprozesse in derselben kommerziellen, der Sequenzierung dienenden Durchflusszelle. Zu Beginn waren sich die Forschenden nicht einmal sicher, ob dies funktionieren würde, da sie keine direkte Kontrolle über die Bedingungen in einer Sequenzierungs-Durchflusszelle hatten. „Um in dieser Umgebung die Einzelmolekülfluoreszenzmessung [frei von Hintergrundrauschen] zu realisieren, mussten wir die Detektionsstrategien von Grund auf neu überdenken“, erklärt Joo. „Es war ein großer Sprung, den SPARXS ermöglichte.“ Um die umfangreichen Datensätze aus der Fluoreszenzmikroskopie und der Sequenzierung aufeinander abzustimmen, mussten im Rahmen des Projekts außerdem maßgeschneiderte Algorithmen entwickelt werden, die eine präzise Datenkopplung zulassen. Die Datensätze sowie die gesamte projektintern verwendete Software sind frei zugänglich(öffnet in neuem Fenster).
Ein Experiment, Tausende einzigartige Sequenzen
Mit SPARXS konnten die Forschenden das kinetische Verhalten von über 4 000 einzigartigen DNS-Sequenzen in einem einzigen Experiment untersuchen. Laut Joo eröffnet diese Arbeit nicht nur neue Einblicke in die sequenzabhängige molekulare Dynamik, sondern bietet auch einen robusten, verallgemeinerbaren Rahmen, der zur Erkundung von Proteinen, RNA und weiteren Biomolekülen dienen kann. „SPARXS eröffnet neue Wege zum Verständnis von Sequenz-Struktur-Funktions-Beziehungen in einem völlig neuen Ausmaß; und zu sehen, wie dieses Konzept umgesetzt und experimentell validiert wird, bildete einen Wendepunkt meiner Karriere“, fügt er hinzu.
Wie Sequenzvariationen molekulares Verhalten beeinflussen
Die Arbeit des Projekts MIGHTY_RNA hat die Grenzen der Einzelmolekül-Biophysik in den Hochdurchsatzbereich verschoben. Und es ist geplant, weiter voranzuschreiten. Die Forschenden versuchen derzeit, SPARXS nicht nur für Nukleinsäuren, sondern auch bei der Untersuchung von Protein-Ligand- und Protein-Peptid-Wechselwirkungen einzusetzen. Im Zuge des Projekts wird außerdem die Möglichkeit der Verknüpfung von SPARXS-Daten mit Ansätzen des maschinellen Lernens erkundet. Mithilfe dieser Kombination könnte die Plattform molekulare Wechselwirkungen und Dynamiken vorhersagen, was ihren Einsatzbereich in der Arzneimittelforschung und synthetischen Biologie erweitern würde. „Mit einer Kombination aus der Auflösung von Einzelmolekülverfahren und den Größenordnungen von Hochdurchsatzansätzen ermöglicht die SPARXS-Plattform den Forschenden, systematisch auszuprobieren, wie Sequenzvariationen das molekulare Verhalten beeinflussen, wobei sich die Anwendungen von der biophysikalischen Grundlagenforschung bis hin zur translationalen biomedizinischen Forschung erstrecken“, schließt Joo seine Ausführungen. Er begrüßt Anfragen(öffnet in neuem Fenster) von potenziellen Mitarbeitenden, die an der Anwendung von SPARXS auf weitere biologische Systeme interessiert sind.