Wegweisende neue Mikroskopie auf der Basis kryogener Mikrosysteme
Moderne Mikroskope können komplexe dreidimensionale Strukturen von Zellen und sogar Molekülen mit verblüffender Klarheit und Detailgenauigkeit sichtbar werden lassen. Oft ist es jedoch unmöglich, die Dynamik in Echtzeit zu verfolgen, wenn sich die Dinge schnell ändern oder bewegen. „Außerdem funktionieren einige Methoden, etwa die Elektronenmikroskopie, nur im Vakuum“, erklärt Thomas Burg, Forscher des Projekts MICROCRYO(öffnet in neuem Fenster) von der Technischen Universität Darmstadt(öffnet in neuem Fenster) in Deutschland. „Das bedeutet, dass sie erst dann zum Einsatz kommen können, wenn die Proben fixiert sind, wodurch die Untersuchung komplexer Abläufe erschwert wird.“ Eine Lösung für dieses Problem stellt die Behandlung des Objekts per Schnellgefrierverfahren dar. Dabei muss verhindert werden, dass das Wasser in den Zellen beim Abkühlen Eiskristalle bildet, damit die empfindlichen Strukturen nicht beschädigt werden. „Die bereits vorhandenen Verfahren, mit denen dies zu erreichen ist, weisen alle erhebliche Mängel auf“, so Burg weiter. „Sobald die Zellen schockgefroren bzw. vitrifiziert sind, besteht eine weitere Herausforderung darin, verschiedene moderne Mikroskope derart anzupassen, dass sie mit einem fast -200 °C kalten Objekt kompatibel sind, ohne dass die Leistung beeinträchtigt wird.“
Mikroskopieplattform auf Mikrofluidikbasis
Das Team des Projekts MICROCRYO, das vom Europäischen Forschungsrat(öffnet in neuem Fenster) unterstützt wurde, unternahm den Versuch, diese Herausforderungen zu meistern. Ziel war die Entwicklung einer neuen Technologieplattform auf der Grundlage von Mikrofluidik (in der Mikroskala angesiedelte Manipulation und Steuerung von Fluiden), um ultraschnell gefrorene Zellen und kleine Mikroorganismen bei kryogenen Temperaturen zu präparieren und abzubilden. Auf diese Weise würden völlig neue Experimente möglich werden, bei denen in molekularen Details beobachtet werden kann, wie beispielsweise Immunzellen aktiviert werden, wie Wirkstoffe wirksamer verabreicht werden können oder wie Blutzellen bei bestimmten Krankheiten weniger flexibel agieren. „Die wichtigste Innovation bei diesem Projekt war die Schaffung von Mikroumgebungen im Submillimeterbereich, in denen die Temperaturen schnell und präzise von kryogenen Bedingungen hin zu Raumtemperatur geregelt werden konnten“, erklärt Burg. „Möglich wurde dies durch die Mikrosystemtechnik, dieselbe Technologie, mit der viele Sensortypen gebaut werden, die in vielen Konsumgütern zu finden sind (z. B. in fast allen Mobiltelefonen, Autos usw.).“
Vorteile der Licht- und Elektronenmikroskopie
Burg und sein Team konnten die Probe abschirmen und einen starken Temperaturunterschied zwischen dem Objekt und seiner Umgebung aufrechterhalten, während nur eine sehr geringe Heiz- und Kühlleistung benötigt wurde. Mithilfe moderner Licht- und Elektronenmikroskopie wurden die Proben vor, während und nach dem ultraschnellen Einfrieren mit hoher Auflösung analysiert. Dem Projektteam ist es gelungen, eine Plattform zu schaffen, die verbesserte und in einigen Fällen völlig neue Arbeitsabläufe zur Untersuchung biologischer und nicht-biologischer Systeme im Mikro- und Nanometerbereich mithilfe verschiedener, normalerweise nicht kompatibler Mikroskopieverfahren zulässt. „Eine seit langem bestehende, projektintern überwundene Herausforderung besteht darin, fortgeschrittene Methoden der Lichtmikroskopie, wie die STED-Mikroskopie, mit Immersion bei kryogener Temperatur, auf den Weg zu bringen“, sagt Burg. „Zudem kann diese Technologie in kombinierte Licht- und Elektronenmikroskopie-Arbeitsabläufe integriert werden. Somit können sowohl die Vorteile der Licht- als auch der Elektronenmikroskopie genutzt werden, um ergänzende Informationen über Objekte zu erhalten.“
Werkzeug zur Untersuchung komplexer und dynamischer Objekte
Die neue Technologieplattform wird Forscherinnen und Forscher auf vielen Gebieten bei ihren Untersuchungen unterstützen. Mikroskopie bei kryogener Temperatur stellt ein leistungsfähiges Werkzeug zur Untersuchung komplexer, dynamischer und empfindlicher Materialien dar, die in der synthetischen Biologie, der Pharmakologie und sogar bei fortgeschrittenen neuen Batterietechnologien verwendet werden. „Wir erwarten, dass die neue Plattform dazu beitragen wird, Details dieser Materialien, ihre natürliche Struktur, Störungsmechanismen oder Defekte und wie diese zu vermeiden sind, aufzudecken, indem die Konservierung und Bildgebung mit hoher Genauigkeit bei kryogener Temperatur verbessert werden“, fügt Burg hinzu.