Große kosmische Strukturen neu beleuchten
Galaxienhaufen gehören zu den größten Strukturen im Universum. Sie werden durch die Schwerkraft zusammengehalten und enthalten Hunderte bis Tausende von Galaxien sowie riesige Mengen an heißem Gas und dunkler Materie. „Mit der Zeit wachsen diese Haufen („Cluster“), indem sie mit anderen Haufen verschmelzen und Materie aus ihrer Umgebung anziehen“, erklärt der ClusterWeb-Projektkoordinator Reinout van Weeren(öffnet in neuem Fenster) von der Universität Leiden(öffnet in neuem Fenster) in den Niederlanden. „Diese Materie fließt entlang langer Strukturen, den sogenannten kosmischen Netzfilamenten.“
Gas, Galaxien und dunkle Materie
Derartige Filamente aus Gas, Galaxien und dunkler Materie erstrecken sich über das gesamte Universum und verbinden verschiedene Haufen. Mit Hilfe von Radioteleskopen wurden schwache Galaxienhaufen-Radioemissionen entdeckt, die von hochenergetischen, sich nahe der Lichtgeschwindigkeit bewegenden Teilchen erzeugt werden. „Eine wichtige ungeklärte Frage ist, wie diese Teilchen auf so hohe Energien beschleunigt werden“, sagt van Weeren. „Das Ziel dieses Projekts war es, den Ursprung dieser Radioemission zu untersuchen und die physikalischen Prozesse zu ermitteln, die der Beschleunigung dieser Teilchen zugrunde liegen.“ ClusterWeb, das vom Europäischen Forschungsrat(öffnet in neuem Fenster) unterstützt wurde, konzentrierte sich auf die Beobachtung von Galaxienhaufen und kosmischen Netzfilamenten bei sehr niedrigen Radiofrequenzen, da die Radioemissionen dann in der Regel heller sind und daher leichter entdeckt werden können. Van Weeren und sein Team nutzten Beobachtungen des Radioteleskops LOFAR(öffnet in neuem Fenster), eine europäische Anordnung zur Beobachtung des Himmels mit niedrigen Radiofrequenzen. „Unsere Studie konzentrierte sich auf mehrere hundert Galaxienhaufen“, erklärt er. „Wir wollten detaillierte Bilder erstellen und verstehen, wie die Radioemission mit Eigenschaften wie Haufenmasse und Fusionsaktivität zusammenhängt.“
Hochauflösende Bilder von Haufen und Filamenten
Obwohl das Projektteam mit LOFAR eine wesentlich höhere Empfindlichkeit und Auflösung als mit früheren Teleskopen erzielte, blieb die Arbeit mit den Daten dennoch eine Herausforderung. „Erstens erfordert das enorme Datenvolumen eine hochentwickelte Datenverarbeitung“, erläutert van Weeren. „Zweitens verzerrt die Ionosphäre der Erde bei diesen niedrigen Frequenzen die ankommenden Radiowellen, was zu unscharfen Bildern führt. Ein wichtiger Teil des Projekts bestand daher darin, neue Techniken für die Korrektur dieser Verzerrungen zu entwickeln, so dass wir klare, hochauflösende Bilder der Haufen und Filamente erstellen können.“ Das Projekt fand deutliche Hinweise darauf, dass Erschütterungen und Turbulenzen, die bei der Verschmelzung von Sternhaufen entstehen, für die Beschleunigung von Teilchen auf sehr hohe Energieniveaus verantwortlich sind. Zudem war das Team in der Lage, innerhalb von Haufen und Filamenten die Magnetfelder-Eigenschaften zu messen, die eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Radioemission spielen. „Darüber hinaus haben wir beobachtet, dass Jets von supermassiven schwarzen Löchern in Galaxien, die Mitglieder des Haufens sind, energetische Teilchen in das heiße Gas des Haufens injizieren und dessen Verhalten erheblich beeinflussen können“, fügt van Weeren hinzu.
Wie Haufen gebildet werden und Magnetfelder entstehen
Diese Ergebnisse werden der Wissenschaft zu einem besseren Verständnis der physikalischen Prozesse verhelfen, die überall im Universum stattfinden – insbesondere der Teilchenbeschleunigung. Sie geben auch Aufschluss darüber, auf welche Weise sich die größten kosmischen Strukturen wie Haufen und Filamente im Laufe der Zeit entwickeln. „Auf technischer Ebene können die von uns entwickelten Methoden zur Korrektur verzerrter Radiodaten nun breiter angewendet werden, wodurch wir die Bildqualität für andere Radiobeobachtungen verbessern und neue Entdeckungen ermöglichen können“, schließt van Weeren. Der nächste Schritt besteht darin, weiter entfernte Haufen und ihre Verbindungen zu Filamenten zu erforschen, um besser zu verstehen, wie sich Haufen bilden und wie Magnetfelder entstehen und sich weiterentwickeln. Hierfür sind genauere Beobachtungen und die Kombination von Daten aus verschiedenen Radiofrequenzen erforderlich, um ein vollständigeres Bild dieser komplexen Umgebungen zu erhalten.