Potenzial von Federn im Agrarsektor erschließen
In der europäischen Geflügelwirtschaft fallen jährlich etwa 3,6 Millionen Tonnen Federn an, aber nur ein Viertel dieses Nebenprodukts wird separat gesammelt und dient der Weiterverwendung in Tierfutter und Düngemitteln. Dieser unzureichend genutzte Abfallstrom, der reich an wertvollen Proteinen ist, bietet die Möglichkeit auf Fortschritte in der Bioökonomie der EU. Das Projekt UNLOCK(öffnet in neuem Fenster), das vom Gemeinsamen Unternehmen für biobasierte Industriezweige, einer öffentlich-privaten Partnerschaft zwischen der EU und der Industrie, finanziert wurde, diente der Entwicklung von Technologien und landwirtschaftlichen Produkten, um weggeworfene Federn gezielt bestmöglich zu nutzen.
Valorisierung von Keratin
Federn bestehen hauptsächlich aus Keratin(öffnet in neuem Fenster), einem Schlüsselprotein als Hauptbestandteil von Haaren, Nägeln, Schuppen und Federn. Durch die Einbindung von Keratin in Biokunststoffe besitzen die daraus resultierenden Materialien das Potenzial, die auf fossilen Brennstoffen basierenden Industrienormen zu übertreffen. „Die Landwirtschaft braucht innovative, biologisch abbaubare Materialien, mit denen Kosten und Abfälle reduziert sowie die Bodenqualität aufgewertet werden können. Bei der konventionellen Kunststoffproduktion werden nicht erneuerbare Ressourcen verbraucht, und ihre Entsorgung am Ende der Lebensdauer belastet die Umwelt, wobei es zur Verunreinigung durch Mikroplastik kommt, was die Bodengesundheit und die langfristige Nachhaltigkeit beeinträchtigt“, erklärt Projektkoordinatorin Sarah Montes. Keratin in Biokunststoffe einzubringen, verbessert deren Abbaubarkeit. Durch rechtzeitige Zersetzung wird der Abfall reduziert und die mit der Entsorgung verbundenen Kosten entfallen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Federn bei ihrer Zersetzung den Boden mit Stickstoff anreichern.
Biobasierte landwirtschaftliche Anwendungen
Das Gemeinschaftsunternehmen UNLOCK vereint ein multidisziplinäres Team aus fünfzehn Partnern aus sieben EU-Ländern. Mit dem Ziel, die gesamte Wertschöpfungskette zu erfassen, koordinierte das Projektteam das Fachwissen in den Bereichen Rohstoffanalyse, Herstellung von Endprodukten und Nachhaltigkeitsbewertungen. Zu den vier keratinangereicherten landwirtschaftlichen Projektprodukten zählen Saatgutschalen, Geotextilien, Mulchfolien und Hydrokulturschäume. Die Saatschalen, die ein großes Marktwachstumspotenzial aufweisen, sind unter industriellen Bedingungen kompostierbar(öffnet in neuem Fenster). Geotextilvliesstoffe sind im Pflanzenschutz im Einsatz, im Boden teilweise biologisch abbaubar und vollständig kompostierbar. Beim Zersetzen liefern sie bis zu 15 g Stickstoff pro m2 Boden. Die Mulchfolien von UNLOCK zeigen eine ähnliche Funktion wie Geotextilien und sind speziell für Kurzzeitkulturen konzipiert. Hydrokulturschäume werden in den Substraten für Hydrokulturen verwendet und ersetzen den Blähton. Der freigesetzte Stickstoff fördert das Pflanzenwachstum, und die geschäumten Granulate sind unter industriellen Bedingungen kompostierbar oder zersetzen sich im Boden.
Technologien zur Federbehandlung
Eine der Schwierigkeiten, mit denen das Projektteam konfrontiert war, bestand in der Maßstabserweiterung seiner innovativen Federverarbeitungstechnologien. Die Technologien wurden erfolgreich im Pilotmaßstab erprobt, aber da Federn ein Material von sehr geringer Dichte sind, stellte die große Menge an für Tests im Demonstrationsmaßstab benötigten Federn eine Herausforderung dar. Dennoch zählen die Fortschritte bei der Federverarbeitung zu den herausragenden Projektleistungen. Montes Kommentar dazu: „Neben den vier gezielten Anwendungen, die im Rahmen des Projekts entwickelt wurden, bestand einer der wichtigsten Meilensteine von UNLOCK im Bau und der Inbetriebnahme der Demonstrationsanlage zur Federsterilisierung und -zerkleinerung mit einer Produktionskapazität von 200 kg/h in Polen.“ Zwei weitere Demonstrationsanlagen befinden sich in Schweden, wobei dort die Dampfexplosion bzw. mikrobielle Fermentation im Mittelpunkt stehen. Die verschiedenen innerhalb von UNLOCK erstellten Behandlungsstrategien sind für die zukünftige Marktakzeptanz von Biokunststoffen auf Keratinbasis wichtig. „Wir wissen jetzt, dass behandelte Federn viel schneller als unbehandelte Federn biologisch abgebaut werden“, fügt Montes hinzu und hebt damit die Bedeutung dieser Behandlungen für die Produktqualität hervor. Die langfristige Strategie der EU zum Erreichen der Klimaneutralität hängt von der schrittweisen Abschaffung der auf fossilen Brennstoffen basierenden Materialien ab. Biokunststoffe, die aus Federn hergestellt werden, bilden eine vielversprechende Lösung.