Einblicke in die Hirngesundheit von Säuglingen
Säuglinge, die mit einem angeborenen Herzfehler(öffnet in neuem Fenster) zur Welt kommen, benötigen oftmals in den ersten Lebensmonaten komplexe chirurgische Eingriffe. Diese Eingriffe sind zwar lebensrettend, gehen jedoch aufgrund von Durchblutungsstörungen und der Sauerstoffversorgung mit einem hohen Risiko für Hirnschäden einher. Herkömmliche Überwachungsinstrumente liefern nur begrenzte Informationen, was das Verständnis der Hirnreaktion während und nach der Operation erschwert.
Überwachung des Säuglingsgehirns
Das EU-finanzierte Projekt TinyBrains(öffnet in neuem Fenster) möchte dies ändern, indem neue Instrumente entwickelt werden, die lichtbasierte und elektrische Messungen kombinieren, um die Hirngesundheit in beispielloser Detailgenauigkeit zu untersuchen. „Unser Ziel war die Entwicklung nicht-invasiver Systeme, die eine Echtzeit-Überwachung der Gehirnfunktion, des Sauerstoffverbrauchs und der Durchblutung bei Neugeborenen mit angeborenem Herzfehler ermöglichen“, erklärt Projektkoordinator Turgut Durduran. „Dadurch können wir klinischen Fachkräften bessere Daten zur Verfügung stellen, um lebensrettende Entscheidungen zu treffen.“ Das Team von TinyBrains entwickelte zwei innovative Prototypen, einen Neurobildgeber und einen Neuromonitor, die drei leistungsstarke Technologien in einem kompakten Gerät vereinen: die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS), diffuse Korrelationsspektroskopie (DCS) und Elektroenzephalographie (EEG). Bei der NIRS- und DCS-Technologie wird harmloses Nahinfrarotlicht zur Messung der Hirndurchblutung und des Sauerstoffstoffwechsels genutzt, während die EEG die elektrische Aktivität des Gehirns erfasst. In Kombination zeigen diese Signale, wie Neuronen, Blutgefäße und Sauerstoff, die zusammen als neurovaskuläre Einheit bezeichnet werden, im Gehirn interagieren. Das TinyBrains-System ermöglicht einzigartige, simultane kolokalisierte Messungen, die quantifizieren, wie gut das Gehirn funktioniert und ob es ausreichend Sauerstoff erhält, um diese Aktivität aufrechtzuerhalten. Dank speziell angepasster Kopfbedeckungen und Hybridsensoren ist das Gerät auch für den empfindlichen Einsatz bei Neugeborenen geeignet.
Vom Labor in die Klinik
Zur Validierung des Systems entwickelten die Forschenden zunächst ein präklinisches Modell, das komplexe neonatale Herzoperationen an Ferkeln nachbildete – ein etabliertes Modell zur Untersuchung der Gehirnfunktion von Neugeborenen. Dies ermöglichte es den Forschenden, Eingriffe im Falle einer Herz-Lungen-Maschine und eines hypothermischen Herzstillstands zu simulieren, und zu überwachen, wie sich die Hirnaktivität und die Sauerstoffversorgung während des gesamten Prozesses veränderten. Die Plattform zeigte eine hohe Sensitivität gegenüber Veränderungen der Sauerstoffversorgung und der neuronalen Reaktion. TinyBrains erprobte seine Geräte anschließend an 29 Säuglingen, die sich einer Herzoperation unterzogen. Der Neuromonitor erfasste erfolgreich, wie sich die Sauerstoffversorgung des Gehirns und die elektrische Aktivität während verschiedener chirurgischer Phasen, vom Einsetzen der Herz-Lungen-Maschine bis zur Genesung, entwickelten. Unterdessen wurde anhand des Neurobildgebers untersucht, wie das Gehirn von Säuglingen auf einfache Geräusche reagiert. Dadurch konnten neue Erkenntnisse über die neurovaskuläre Kopplung und die Entwicklungsfunktion vor und nach dem chirurgischen Eingriff gewonnen werden. „Diese Ergebnisse demonstrierten, dass unsere Plattform subtile Veränderungen der Gehirnfunktion erfassen kann, die andere klinische Überwachungsgeräte übersehen. Dies ist ein entscheidender Schritt zur Vorbeugung neurologischer Komplikationen bei solchen gefährdeten Säuglingen“, betont Durduran.
Ein Wandel in der Neugeborenenversorgung
Die größte Leistung des Projekts besteht in der Entwicklung eines umfassenden, nicht-invasiven und multimodalen Instruments zur Erforschung des kindlichen Gehirns. Zum ersten Mal können klinische Fachkräfte gleichzeitig die neuronale Aktivität, den Sauerstoffverbrauch und die Durchblutung beurteilen, und somit ein vollständiges Bild der Hirngesundheit, den sogenannten „Hirngesundheitsindex“, erhalten. Die nahtlosen Pipelines von TinyBrains für die Datenintegration ermöglichen die Kompatibilität der Technologie mit Krankenhausumgebungen und erleichtern so die Akzeptanz durch klinisches Personal. Das Team arbeitet nun an einem klinischen Fahrplan, um diese Prototypen an den Einsatz unter realen Bedingungen heranzuführen. Dieser umfasst klinische Studien an mehreren Standorten, Kooperationen mit Technologieentwicklern und weitere Forschung im Bereich der Entwicklungsneurologie.