Chronische Schmerzen und Entscheidungsfindung beleuchten
Fibromyalgie ist eine Erkrankung, die durch chronische, weit gestreute Schmerzen, Müdigkeit und kognitive Symptome gekennzeichnet ist. Sie scheint die Art und Weise zu beeinflussen, wie das Gehirn und das Rückenmark schmerzhafte und schmerzfreie Signale verarbeiten und betrifft überwiegend Frauen. Aktuell gibt es keine Heilung für Fibromyalgie. Während die Schmerzbehandlung typischerweise Bewegung und andere langfristige Behandlungsmaßnahmen umfasst, werden diese nur selten eingehalten. „Dies deutet darauf hin, dass die Entscheidungsfindung bei Menschen mit Langzeitschmerzen in Bezug auf verzögerte und mühsam erarbeitete Belohnungen möglicherweise verändert ist“, erläutert Aleksandra Herman vom Nencki-Institut an der Polnischen Akademie der Wissenschaften(öffnet in neuem Fenster) und Mitarbeiterin am Projekt PAID(öffnet in neuem Fenster). „Dies kann die Akzeptanz und das Durchhaltevermögen bei wirksamen Interventionen erschweren.“
Zugrundeliegende Nerven- und Körper-Gehirn-Mechanismen
Das Verständnis der Aspekte des Schmerzes – emotional versus physisch – und der zugrunde liegenden Nerven- und Körper-Gehirn-Mechanismen, die diese Entscheidungsmuster steuern, ist daher für die Verbesserung der Behandlungseffektivität unerlässlich. Diese Fragen sollten im Projekt PAID, das über die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen(öffnet in neuem Fenster) unterstützt wurde, beleuchtet werden. „Wir wollten die Einstellung zu Verzögerung und Anstrengung bei Menschen mit Fibromyalgie im Vergleich zu schmerzfreien Kontrollpersonen untersuchen“, erklärt Herman. „Zudem wollten wir die Rolle von Emotionen und der Wahrnehmung von Körperempfindungen erkunden, die möglicherweise zu einer veränderten Entscheidungsfindung bei verzögerten und nur mit Mühe zu erreichenden Belohnungen beitragen. Eine Möglichkeit, dies zu tun, bestand darin, einer Gruppe von Fibromyalgie-Betroffenen zusammen mit einer Gruppe von schmerzfreien Kontrollpersonen eine Reihe von Aufgaben zu stellen. Dabei handelte es sich entweder um körperliche oder kognitive Anstrengung. Am Ende winkte jeweils eine gewichtete Belohnung. Die Teilnehmenden hatten die Wahl, entweder Anstrengungen zu unternehmen, um die Aufgabe zu bewältigen und eine Belohnung zu erhalten, oder die Aufgabe hinauszuzögern und eine geringere Belohnung zu erhalten. Das Projekt hatte sich zum Ziel gesetzt, die neuronale Basis dieser veränderten Entscheidungsprozesse mithilfe eines interdisziplinären Instrumentariums zu erfassen, das Verhaltensökonomie, Psychophysiologie und Neuroimaging umfasste.
Schutz-basierte Entscheidungen bei körperlicher Anstrengung
„Was wir gefunden haben, war eine stärker Schutz-orientierte Entscheidungsfindung bei körperlicher Anstrengung“, fügt Herman hinzu. „Das bedeutet, dass Menschen mit Fibromyalgie zwar eher dazu neigen, körperliche Anstrengungen zu vermeiden, nicht aber kognitive Anstrengungen. Schwierigkeiten bei der Therapietreue könnten demnach eher auf eine übervorsichtige, auf körperliche Anstrengungen bezogene Entscheidungsfindung als auf eine geringe Motivation zurückzuführen sein. Dies stellt eine mögliche Grundlage für Interventionen in der klinischen Versorgung dar. Die Ergebnisse dieses Projekts wurden vielfach geteilt, wobei Herman beim Vortrag(öffnet in neuem Fenster) der Nencki Foundation Popular Science über Entscheidungsfindungen bei Fibromyalgie einige wichtige Informationen hinsichtlich Schmerzen im Allgemeinen präsentierte. Herman nahm außerdem an einem kürzlich erschienenen Webinar(öffnet in neuem Fenster) zum Thema Schmerz und Aktivität teil, das sich an Betroffene, Interessengruppen und Kliniker richtete. Außerdem veröffentlichten Herman und ihre Kolleginnen und Kollegen eine Arbeit im Journal of Pain(öffnet in neuem Fenster), die detailliert beschreibt, wie Personen mit Fibromyalgie eine stärker Schutz-orientierte Entscheidungsfindung für körperliche, jedoch nicht für kognitive Anstrengungen aufweisen.
Maßgeschneiderte Interventionen für Menschen mit Fibromyalgie
Es besteht die Hoffnung, dass die Ergebnisse des Projekts PAID zu gezielteren Interventionen führen werden, die unmittelbar wahrgenommene Kosten reduzieren bzw. die Vorteile für Menschen mit Fibromyalgie neu definieren können. Dies könnte zu optimierten klinischen Leitlinien für die Gestaltung von Rehabilitationsprogrammen führen, die ausdrücklich auf Entscheidungsbarrieren eingehen und so die Behandlungsakzeptanz und damit die langfristigen Ergebnisse verbessern. „Zu den nächsten Schritten gehört die Entwicklung von Maßnahmen, die auf den Mechanismus abzielen, um die ermittelten Entscheidungsfehler zu modifizieren“, sagt Herman. „Die Durchführbarkeit und Wirksamkeit dieser Maßnahmen müsste entsprechend in randomisierten Studien geprüft werden. Diese Arbeit würde in Zusammenarbeit mit Betroffenen und Klinikern durchgeführt werden.