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Inhalt archiviert am 2022-12-21

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Chancengleichheit der Geschlechter in der Wissenschaft weiterhin fester Bestandteil der Tagesordnung der Kommission

Frauen in der Wissenschaft oder vielmehr der Mangel daran dürften in diesem Monat in Brüssel ein heiß diskutiertes Thema sein, da die Europäische Kommission einen Bericht über ihre Fortschritte bei der Förderung der Wahrnehmung und des Verständnisses dieses wichtigen und manch...

Frauen in der Wissenschaft oder vielmehr der Mangel daran dürften in diesem Monat in Brüssel ein heiß diskutiertes Thema sein, da die Europäische Kommission einen Bericht über ihre Fortschritte bei der Förderung der Wahrnehmung und des Verständnisses dieses wichtigen und manchmal umstrittenen Themas veröffentlichen wird. In einem Gespräch mit CORDIS News beschrieb Nicole Dewandre, die Leiterin des Sektors "Frauen in der Wissenschaft" der GD Forschung die bisher geleistete Arbeit und erläuterte, warum sie als so wichtig angesehen wird. Gemäß einem in einer früheren Mitteilung angegebenen Plan hatte das Team von Nicole Dewandre im vergangenen Jahr zwei Aktionslinien verfolgt: Zum einen mit der Entwicklung eines Dialogs über die geschlechtlichen Aspekte in Bezug auf Frauen in der Wissenschaft in den Mitgliedstaaten mittels eines Politikforums und zum anderen mit einem "Gender Watch System" innerhalb des Fünften Rahmenprogramms (RP5) Der Bericht des ETAN (Europäisches Netz für Technologiebewertung) vom vergangenen Jahr mit dem Titel "Promoting excellence through mainstreaming gender equality" (Förderung herausragender Leistungen durch Einbeziehung des Grundsatzes der Chancengleichheit der Geschlechter), ein von führenden Experten in diesem Bereich zusammengestellter Bericht über die geschlechtlichen Aspekte der Forschung in allen europäischen Mitgliedstaaten, war ein wertvoller Beitrag für das Politikforum zum Thema Frauen in der Wissenschaft. Der unter dem Programm "Ausbau des Potenzials an Humanressourcen" des Fünften Rahmenprogramms der EU geförderte Bericht stützt sich auf frühere Untersuchungen, die bis auf das Jahr 1993 zurückgehen, und befasst sich mit "grundsätzlichen Formen der Diskriminierung wie z.B. weniger Bürofläche und weniger Mittel für die Forschung", erläuterte Dewandre. Diese frühen Untersuchungen trugen entscheidend bei, das Thema Frauen in der Wissenschaft auf Gemeinschaftsebene in den Mittelpunkt zu rücken. Ein gutes Beispiel ist der 1997 in der Zeitschrift "Nature" veröffentlichte Bericht der ETAN-Mitglieder Agnes Wold und Christine Wenneras. Dieser hatte bedeutende Auswirkungen, da er nachwies, dass der Mangel an Frauen in der Wissenschaft nicht darauf zurückzuführen ist, dass sie nicht gut genug seien oder keine Wissenschaftler werden wollten, so Dewandre: "In Wahrheit werden Frauen von der Wissenschaft ausgegrenzt. Männer werden bevorzugt." Eine im vergangenen Jahr veranstaltete Konferenz zum ETAN-Bericht trug ebenfalls dazu bei, das Interesse nicht nur der akademischen Kreise, sondern auch der Öffentlichkeit und der wissenschaftlichen Fachpresse innerhalb und außerhalb Europas zu wecken. Der ETAN-Bericht gelte allgemein als "Meisterwerk", so Dewandre. "Ich glaube wirklich, dass wir auf diesen Bericht stolz sein können. [Er] gestattet uns, diesbezüglich eine Problemstellung zu erarbeiten, die Frauen nicht benachteiligt, aber gleichzeitig das wissenschaftliche System berücksichtigt. Wir sollten uns um Wege zum Abbau der Bevorzugung von Männern innerhalb des Systems bemühen, wenn wir alle Teile der Gesellschaft nutzbringend einsetzen wollen. Das gilt für Frauen ebenso wie für alle anderen Kategorien wie beispielsweise die ethnische Zugehörigkeit." Das Team "Frauen in der Wissenschaft" der GD Forschung hat nicht nur den ETAN-Bericht in Auftrag gegeben, sondern auch die so genannte "Helsinki-Gruppe" gegründet, die sich aus Beamten aller EU-Mitgliedstaaten sowie sämtlicher mit dem RP5 assoziierten Länder zusammensetzt. Die Gruppe trifft sich zwei Mal jährlich und hat ein Bewertungsverfahren hinsichtlich der Frauen in der Wissenschaft in den einzelnen Ländern entwickelt. "Wir beginnen gemeinsam mit dem Aufbau einer Strategie zur Entwicklung geschlechtsspezifischer Indikatoren und erarbeiten gemeinsame Informationen über die Politiken der einzelnen Mitgliedstaaten", erläutert Dewandre, die mit den Fortschritten der Gruppe zufrieden ist. Sie beklagt jedoch den Mangel an Statistiken zu Frauen in der Wissenschaft. Während die ETAN-Gruppe ihren Bericht mit Hilfe von Daten aus zahlreichen unterschiedlichen Quellen wie beispielsweise Hochschulen, Forschungsinstituten und Ministerien zusammenstellen konnte, finde laut Dewandre immer noch keine systematische Erfassung von Daten statt. Daher untersucht die Gruppe Frauen in der Wissenschaft alle Möglichkeiten zur Sammlung von Daten. Sie arbeitet mit Eurostat, dem statistischen Amt der Kommission, und der OECD (Organisation für wissenschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) an einer versuchsweisen Einführung einer Geschlechtsvariablen in deren Analysen. Ferner arbeitet sie mit der Helsinki-Gruppe beim Abgleich vorhandener Daten in den Mitgliedstaaten zusammen. Die Daten sind nicht harmonisiert, weshalb ihre Analyse weitere Probleme mit sich bringt, aber die Sammlung als solche wird als ein wichtiger Schritt angesehen. Um zur weiteren Diskussion anzuregen, wurden alle Mitglieder der Helsinki-Gruppe gebeten, einen Lenkungsausschuss zum Thema Frauen in der Wissenschaft in ihren Heimatländern einzurichten. "Das sorgte für Bewegung", so Nicole Dewandre. In Israel wurde ein Rat zum Thema "Frauen in der Wissenschaft" gegründet, und in Frankreich gibt es im Forschungsministerium ein brandneues Referat "Frauen in der Wissenschaft". Auch in den osteuropäischen Ländern seien Maßnahmen angelaufen, fügt sie hinzu. "Ich bin mir nicht sicher, ob [die Politik der Kommission hinsichtlich Frauen in der Wissenschaft] bereits Auswirkungen auf die Arbeit und das Leben der Wissenschaftlerinnen hat, aber ich bin fest davon überzeugt, dass im politischen Leben das Thema "Frauen in der Wissenschaft" ein fester Punkt auf der Tagesordnung geblieben ist", sagt sie. Ein Bereich des von der Kommission vorgeschlagenen Politikforums, der nicht so erfolgreich wie erhofft war, ist das vorgeschlagene "Netz der Netze", das für eine bessere Kommunikation zwischen bestehenden Netzen der Mitgliedstaaten sorgen sollte. "Hierzu ist zu sagen, dass wir dies gern weiterführen wollen, und dass noch viel zu tun bleibt", so Nicole Dewandre zu CORDIS News. "Bisher haben wir ein Treffen veranstaltet, einen Netzwerkleitfaden vorgelegt und die Möglichkeit zur finanziellen Förderung durch den Aufruf für flankierende Maßnahmen geschaffen." Positive Maßnahmen wurden aber auch durch das "Gender Watch System" ermöglicht. Die Kommission hat in den Formularen, die von den am RP5 beteiligten Auftragnehmer auszufüllen sind, nun die Angabe des Geschlechts vorgesehen. "Das ist brandneu. Im Vierten Rahmenprogramm haben wir nicht gewusst, wie viele Frauen einen Vertrag bekommen haben", so Dewandre. Darüber hinaus hat die Kommission hinsichtlich des Anteils von Frauen in den Überwachungs- und Bewertungsgruppen einen Zielwert von 40 Prozent festgelegt. "Wir haben die 40 Prozent nicht durchgehend verwirklicht, waren aber im vergangenen Jahr in den Überwachungsgruppen nahe daran und haben in den Bewertungsgruppen 25 Prozent erreicht", äußert sie hierzu. Einige Programme haben fast 40 Prozent erreicht; den höchsten Prozentsatz konnte das Programm "Innovation und Einbeziehung der KMU" verzeichnen, gefolgt vom Programm "Ausbau des Potenzials an Humanressourcen in der Forschung". Weitere Einzelheiten sollen im Bericht der Gruppe im Mai veröffentlicht werden; allerdings verrät Dewandre bereits im Voraus, dass 17 Prozent der Teilnehmer am RP5 Frauen sind. So nützlich diese Informationen auch sein mögen: Um ein wahres Bild der Rolle der Frauen in der Wissenschaft innerhalb und außerhalb Europas zu gewinnen, sind eigentlich Daten über den Anteil und die Verteilung von Frauen in der Wissenschaft weltweit erforderlich. Und darin liegt das Problem. Offenbar hat bisher noch niemand eine solche Untersuchung durchgeführt. "Die Frage "Wie viel?" ist der erste Indikator, den wir aufbauen wollen", so Dewandre. Ihrer Ansicht nach könne man jedoch ruhig davon ausgehen, dass der Anteil der Männer und Frauen in der Wissenschaft auf Prä-Promotionsniveau und weltweit grob geschätzt etwa gleich sei. Betrachte man doch das höhere Ende des Spektrums, so bekleideten Frauen nur zehn Prozent der Vollzeit-Professorenstellen. "Uns liegen jedoch keine absoluten Zahlen für die einzelnen Länder vor, sodass wir diese nicht aufaddieren können. Die erste beweiskräftige Veröffentlichung hierzu ist für September 2001 vorgesehen." Neben dieser Untersuchung hat die Gruppe Untersuchungen zur Bedeutung des Geschlechts bei der Untersuchung der geschlechtlichen Aspekte von Forschungsvorhaben durchgeführt. "Jedes spezifische Programm wird von einem Team von Experten auf diesem Gebiet überwacht", erläutert Dewandre "Es handelt sich um eine Reihe von sieben Untersuchungen zur Bedeutung des Geschlechts, die inzwischen kurz vor dem Abschluss stehen." Die Auswirkungen des geschlechtlichen Aspekts sollte man nicht unterschätzen. Warum, erläutert Nicole Dewandre am Beispiel der geschlechtlichen Dimension im Gesundheitswesen. Sie ist der Ansicht, das Frauen von vielen klinischen Tests ausgeschlossen seien, da man allgemein annimmt, dass der männliche und der weibliche Körper abgesehen von den offensichtlichen Geschlechtsunterschieden im Wesentlichen gleich beschaffen seien. "Frauen werden wegen einer potenziellen Schwangerschaft nicht berücksichtigt, aber tatsächlich tendieren Forscher auch in Tierversuchen dazu, beispielsweise nur männliche Ratten einzusetzen, da sie sicher sind, die Möglichkeit des Menstruationszyklus vernachlässigen zu können. Das heißt, dass die Forscher nicht wissen können, ob hormonelle Veränderungen die Reaktion auf neue Medikamente beeinflussen. Werden sich solche Ansichten durch einen größeren Anteil von Frauen in der Wissenschaft ändern? Denken sich männliche Wissenschaftler andere Fragestellungen aus als weibliche? Und wenn ja, welche sind besser? Nicole Dewandre sieht zwar einen Unterschied, betont aber, dass kein Geschlecht beanspruchen könne, "besser" zu sein, ... "wenn es der Wissenschaft darum geht, Experimente durchzuführen und alles vorherzusagen und gleichzeitig zu den Grundsätzen und Ursprüngen zurückzugehen, die Vielfalt anzuerkennen und zu einem Idealschema und der Einheit all dieser Dinge vorzustoßen." Empirie und Logik widersprächen sich ihrer Ansicht nach, und die Wissenschaftsgeschichte sei voll von unterschiedlichen Antworten auf diese Frage: "Die Geschichte der Wissenschaft hat gezeigt, dass ... man ein Experiment immer mit einem Schema im Kopf aufbaut, sodass es keine reine Empirie gibt. Man hat immer eine gewisse Betrachtungsweise von Tatsachen, und man schafft Tatsachen ebenso sehr, wie sie auf einen zukommen ... Bei Francis Bacon diente die Wissenschaft dazu, die Natur zu bewerten ... also gibt es einen Meister ... eine männliche Beziehung auch hier, und das Verhältnis ist sehr geschlechtsspezifisch. Daher ist die geschlechtsspezifische Dimension der Forschung eine sehr interessante Perspektive. Ich habe das Gefühl, dass die Wissenschaft tatsächlich mit dem Bedürfnis aufgebaut wurde, den Geschlechtsunterschied einzubeziehen, und dies wieder zur Sprache zu bringen, ist die eigentliche Herausforderung von Geschlechtsstudien und Geschlechtsforschung. Diese philosophischen Argumente haben in den vergangenen Jahren in Wissenschaftskreisen für Zündstoff gesorgt; einige Forscher beschrieben das Konzept, wissenschaftliche Untersuchungen auf die Wissenschaft selbst anzuwenden, als "Antiwissenschaft". Ist die Gruppe "Frauen in der Wissenschaft" also auf Widerstand von der Kommission gestoßen, als sie ihre Arbeit aufgenommen hat? "Natürlich hat die GD Forschung als eine der letzten GD die geschlechtliche Dimension berücksichtigt, da die allgemeine Haltung, die allgemeine Überzeugung der Wissenschaft war, dass sie nichts mit dem Geschlecht zu tun habe", so Dewandre. "Sie sei nur an Rationalität, Objektivität, Leistung und dergleichen Dingen interessiert, bei denen das Geschlecht keine Rolle spielt. Das wirklich Faszinierende an der Wissenschaft ist, dass es ab und zu Strömungen in der Wissenschaft gibt wie z.B. Wissenschaftsgeschichte, Wissenschaftssoziologie und manchmal Wissenschaftler selber, wo die Wissenschaft sich selbst als Objekt der Wissenschaft betrachtet, und dies ist die Perspektive, wo... der Geschlechtsunterschied offen zu Tage tritt. Das kann niemand bestreiten. Aber...es ist auch ein hochinteressantes Arbeitsgebiet wegen seines gewaltigen Potenzials. "Ich glaube fest daran, dass der Widerstand dagegen proportional zum Interesse daran steht. Nicht weil es Widerstand gibt, sondern weil die Dynamik des Widerstands die Tiefe und das Potenzial des Nachdenkens darüber aufzeigt: weil niemand hervorragende Leistungen beeinträchtigen will. Und wir sind der Ansicht, dass...die Gleichstellung der Geschlechter in der Wissenschaft der Wissenschaft selbst eine neue Perspektive geben wird. Für diese Perspektive setzen wir uns ein und haben daher die geschlechtliche Dimension unter "Wissenschaft und Gesellschaft" [Vorschlag für das nächste Rahmenprogramm] und nicht unter "Humanressourcen" angesiedelt. Das heißt nicht, dass wir die Teilnahme von Frauen am Programm "Humanressourcen" nicht fördern wollen, sondern dass unserer Ansicht nach die wahre Kernproblematik wissenschaftlich-gesellschaftlicher Natur ist. Sie lautet: Welchen Stellenwert hat die Wissenschaft für die Gesellschaft? Wie sind beide verknüpft? Wie kann man dies miteinander in Verbindung bringen, sodass der größtmögliche Nutzen für die Gesellschaft erreicht wird?