Die Rolle der Telomere beim postmitotischen Aufbau des Zellkerns
Das Genom, in dem die DNS-Bauanweisungen für einen Organismus enthalten sind, befindet sich im Zellkern. Die Kernhülle ist eine Membran, die den Zellkern umgibt und ihn vom Rest der Zelle abtrennt. Sie nimmt eine zentrale Rolle bei der effizienten Organisation des Genoms ein. Das Genom selbst enthält lineare Chromosomen, die die genetische Fracht tragen und an den Enden Schutzkappen namens Telomere haben. Sie funktionieren wie eine molekulare Uhr,d. h. sie dokumentieren den Alterungsprozess, indem sie bei jeder Zellteilung kürzer werden, bis sie eine kritische Größe erreichen, bei der die Zellteilung eingestellt wird. Das EU-finanzierte Projekt TeloHOOK verfolgte das Ziel, die mögliche Rolle der Telomere bei der Verteilung von Chromosomen innerhalb des Zellkerns menschlicher Zellen und somit ihren Einfluss auf Alterung und Krankheit zu untersuchen. Die Projektkoordinatorin Laure Crabbe erklärt: „In Organismen wie Hefen und Würmern sind die Telomere an der Kernhülle verankert. Es war bisher unklar, ob dies auch beim Menschen so ist, und welche Auswirkungen es hätte.“ Im Rahmen von TeloHOOK wurde ein neues Verfahren mit dem Namen MadID entwickelt, um die Wechselwirkungen zwischen Proteinen und DNS zu kartieren. So konnte das Team Proteine bestimmen, die daran beteiligt sind, Telomere an die Kernhülle zu binden Anhand einer synthetischen Genom-Zelllinie konnte das Team dann die Telomer-Dynamik in mikroskopischem Maßstab aufzeichnen und ein Computermodell erstellen. „Mit diesem Verfahren konnten wir die bisher unbekannte Rolle der Telomere bei der Zellmitose offenlegen und Einblicke darin erhaschen, was passiert, wenn etwas schiefgeht“, fasst Crabbe zusammen, die zuvor bei dem Projektträger tätig war, dem Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung in Frankreich(öffnet in neuem Fenster). MadID steht der Forschungsgemeinschaft nun zur Verfügung(öffnet in neuem Fenster), zusammen mit den erforderlichen Plasmiden.
Verräterische Proteine aufspüren
Das Team von TeloHOOK war besonders daran interessiert, mehr darüber zu erfahren, wie die Wechselwirkung zwischen Telomeren und der Zellkernhülle sich auf die Mitose oder Zellteilung auswirkt, insbesondere auf den „postmitotischen Aufbau des Zellkerns“. Das neu entwickelte Verfahren Methyl Adenine Identification(öffnet in neuem Fenster) (MadID) wurde zunächst mit hoher Auflösung an Kontaktstellen zwischen Telomer und Kernhülle verwendet. Mittels Massenspektrometrie ermittelte das Team dann bestimmte Proteine, die an der Interaktion zwischen Telomer und Kernhülle beteiligt sind, sowie solche, die während des „postmitotischen Aufbaus des Zellkerns“ scheinbar mit Telomeren verbunden sind. Um die Telomerorganisation im Zellkern im Detail erforschen zu können, setzte das Team eine Kombination aus Lebendzellmikroskopie und superauflösender Mikroskopie mit 3D-Modellierung ein. Ein Protein, das speziell Telomere bindet, wurde mittels einer Fluoreszenzsonde mit CRISPR-Cas9 markiert, sodass das Team die Telomere nun mit der Airyscan konfokalen Mikroskopie(öffnet in neuem Fenster) in Lebendzellen beobachten konnte. Indem sie die Bewegungen aufzeichneten, konnten die Forschenden die Funktion der Telomere untersuchen und modellieren. „Wir fanden heraus(öffnet in neuem Fenster), dass die Telomere – nachdem die Zellkernhülle sich bei der Mitose auflöst, um die Chromosomen freizusetzen – den Wiederaufbau dieser Kernhülle steuern“, erklärt Crabbe. Das Team wollte auch herausfinden, was passiert, wenn die Struktur der Kernhülle beeinträchtigt ist, und untersuchte das Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom(öffnet in neuem Fenster). „Wir konnten beobachten, wie unorganisierte Telomere im Zellkern die Aufrechterhaltung der Zelle beeinträchtigen, was die Verkürzung der Telomere beschleunigt und so biologische Aspekte des Alterns auslöst, die normalerweise erst später auftreten“, ergänzt Crabbe.
Die Zukunft des risikoreichen, gewinnbringenden Ansatzes
Ein Genom, das so aufgebaut ist, dass die Bauanweisungen gut ausgelesen werden können, ist eine Grundvoraussetzung für die Zellfunktion in jeglichem Gewebe lebender Organismen. Neben dem Beitrag zur Grundlagenforschung liefern die Ergebnisse von TeloHOOK Erkenntnisse für die Alterungsforschung sowie für Behandlungsmöglichkeiten von Krebs und seltenen genetischen Krankheiten, wie dem Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom. Crabbe schlägt weitere Forschung zu einigen der Proteine, die bei den Screenings bestimmt wurden, und der Mechanismen, die deren Interaktion mit Telomeren zugrunde liegen, vor. Sie kommentiert: „Bezüglich der Telomere, die sich beim postmitotischen Aufbau des Zellkerns an ein Protein von der Kernhülle binden, stellt sich die Frage: Was passiert, wenn das Protein aufgezehrt oder überexprimiert ist? Wir wissen es nicht.“