Automatisierung pharmazeutischer Laborumgebungen
Manuelle Prüfungen auf Sterilität sind ein routinemäßiger und kritischer Bestandteil der Laborarbeit, führen jedoch aufgrund des hohen Volumens der täglichen Prüfungen zu Verunreinigungen und Ineffizienzen. Die Automatisierung hat sich noch nicht durchgesetzt, da es den Robotern an der nötigen Flexibilität fehlt, um lebenswichtige Aufgaben zu erfüllen. Daher muss bei der Herstellung von medizinischen, pharmazeutischen und der Gesundheitsversorgung dienenden Produkten immer noch menschliches Personal mitwirken, wobei der Prozess durch zeitaufwändige Qualitätskontrollen und behördliche Genehmigungen weiter verlangsamt wird. Das Ziel des EU-finanzierten Projekts TraceBot(öffnet in neuem Fenster) bestand darin, den Robotikeinsatz in pharmazeutischen Labors weiter voranzubringen, wobei kritische manuelle Aufgaben wie membranbasierte Prüfungen auf Sterilität im Mittelpunkt standen. „Diese Verfahren werden in der Regel von qualifiziertem Laborpersonal unter Einhaltung strenger Vorschriften durchgeführt und erfordern äußerste Präzision, da schon kleine Fehler die Sicherheit gefährden oder die Ergebnisse beeinträchtigen können“, sagt Projektkoordinatorin Maike Neumann.
Sichere, erklärbare und zertifizierbare Robotikeinsätze
Mit TraceBot werden die wichtigsten Herausforderungen in der Pharmazeutik angegangen, indem die vollständige Rückverfolgbarkeit von Robotikaktionen sichergestellt und es ermöglicht wird, jeden Schritt zu protokollieren, zu rekonstruieren und zu verifizieren. Im Rahmen des Projekts werden Roboter außerdem in die Lage versetzt, ihre Handlungen auf eine Weise zu vermitteln und zu begründen, dass Menschen sie problemlos nachvollziehen können. Zudem wird eine zukünftige behördliche Zertifizierung durch Bereitstellung verifizierbarer digitaler Nachweise in Bezug auf Entscheidungen und Leistungen des Roboters unterstützt. „Während bei den meisten Laborrobotiksystemen Automatisierung und Durchsatz im Mittelpunkt stehen, konzentriert sich das Team von TraceBot auf kognitive Fähigkeiten. Die Robotik ist derart konzipiert, dass sie nicht nur Aufgaben ausführt, sondern auch die Begründungen für die ausgeführten Aufgaben nachvollziehbar gestaltet und erklärt, was über die reine Ausführung von Aktionen hinausgeht“, betont Neumann. Was TraceBot außerdem auszeichnet, ist seine Fähigkeit, Entscheidungen in Echtzeit zu begründen – ein Bereich, in dem die meisten aktuellen Systeme versagen, da sie nicht in der Lage sind, ihre Handlungen zu erklären oder zu begründen. „TraceBot wurde speziell für pharmazeutische Umgebungen entwickelt und erfüllt die strengen Anforderungen an Rückverfolgbarkeit und Verantwortlichkeit“, fügt Neumann hinzu.
Kombination aus Sensor-, KI- und digitalen Zwillingstechnologien
Im Einzelnen hat das Projektkonsortium ein innovatives Robotiksystem entwickelt, das eine Kombination aus fortgeschrittenen Sensoren für präzise Wahrnehmung, KI-gesteuerter Aktionsplanung und Fehlererkennung sowie einem digitalen Zwilling ist, der die Roboteraktionen in Echtzeit überwacht und auswertet. „Der digitale Zwilling bildet nicht nur ein virtuelles Abbild des Roboters, sondern fungiert als kognitives Überwachungssystem, das sich in Echtzeit mit dem physischen Roboter synchronisiert, um dessen Aktionen und Sensorrückmeldungen wiederzugeben“, erklärt Neumann. Durch Verständnis des Aufgabenkontexts kann er Unstimmigkeiten oder Fehler während der Ausführung erkennen und symbolische KI für semantische Schlussfolgerungen nutzen, um zu bewerten, ob das Verhalten des Roboters mit den erwarteten Abläufen übereinstimmt. Anhand der Generierung von für Menschen lesbaren Begründungen für Entscheidungen unterstützt er gleichermaßen die nachträgliche Analyse von Ereignissen und bringt er die Entwicklung von erklärbarer KI in sicherheitskritischen Umgebungen voran.
Weitreichende Auswirkungen auf den Industriesektor
TraceBot vereinte ein interdisziplinäres Team von Fachleuten aus der Robotik, KI, Softwareverifizierung und Laborautomatisierung, das mit Endnutzung und Industrieregulierungsbehörden zusammenarbeitete, um die Praxisrelevanz sicherzustellen. Die projekteigenen Kerntechnologien wie der kognitive digitale Zwilling, die erklärbare Robotik und das Rahmenwerk für Rückverfolgbarkeit sind außerdem in weiteren sicherheitskritischen Bereichen anwendbar, etwa bei der Arzneimittelzubereitung, der Herstellung von Diagnostika und der Biotechnologiefertigung, auch wenn der Schwerpunkt zunächst auf der Sterilitätsprüfung lag. Der TraceBot-Demonstrator wurde bereits mit dem angesehenen Preis für die Robotikanwendung des Jahres 2024 RAYA(öffnet in neuem Fenster) für zukünftige Softwaretrends im Pharmasektor ausgezeichnet, was seine Innovation und seinen Einfluss auf diesen Industriesektor widerspiegelt.