Auswirkungen der medizinisch unterstützten Fortpflanzung auf das Wohlergehen der Familie
Die medizinisch unterstützte Fortpflanzung (medically assisted reproduction, MAR) ist eine der wichtigsten Errungenschaften der medizinischen Wissenschaft in der letzten Generation. In den Industrieländern wird eine jährliche Zunahme der MAR-Behandlungen verzeichnet. Tatsächlich wurden in den letzten vier Jahrzehnten mehr als fünf Millionen über MAR gezeugte Kinder geboren, und noch viele weitere Familien erhielten eine Behandlung. „Angesichts dieses Trends ist es von vorrangiger Bedeutung für die öffentliche Gesundheit, die Auswirkungen von MAR auf das Wohlergehen von Familien zu verstehen“, sagt Alice Goisis(öffnet in neuem Fenster), Professorin für Demografie und Forschungsleiterin am Centre for Longitudinal Studies des University College London(öffnet in neuem Fenster). Im Rahmen des EU-finanzierten Projekts MARTE(öffnet in neuem Fenster) führte Goisis Spitzenforschung durch – die erste umfassende Analyse der Auswirkungen von MAR auf Kinder, Erwachsene und Familien. Konkret untersuchte das Projekt die gesundheitlichen und lebensgeschichtlichen Ergebnisse von Erwachsenen, die sich einer MAR unterziehen, die gesundheitlichen und sozialen Ergebnisse von Kindern, die über MAR gezeugt wurden, sowie die Qualität der Eltern-Kind-Beziehungen.
Umfangreiche Bevölkerungsdaten in Kombination mit quantitativen Methoden
Während die meisten früheren Arbeiten, die sich mit den Auswirkungen von MAR auf das Wohlergehen von Familien befassten, kleine oder einfache Stichproben verwendeten, wurden bei MARTE äußerst detaillierte und umfangreiche Datensätze aus Bevölkerungsregistern und -erhebungen herangezogen, darunter die Millennium Cohort Study des Vereinigten Königreichs(öffnet in neuem Fenster) sowie Bevölkerungsregister aus den nordischen Ländern und den Vereinigten Staaten. „Diese innovative Kombination von groß angelegten Bevölkerungsdaten mit strengen quantitativen Methoden und kausalen Designs versetzte uns in die Lage, MAR über den gesamten Lebensverlauf hinweg zu untersuchen, einschließlich erfolgloser Behandlungen“, erklärt Goisis. Dadurch wurde es den Forschenden auch ermöglicht, die Auswirkungen der Störfaktoren bei MAR, wie Subfertilität und sozioökonomischer Status, zu isolieren.
Wichtige Einblicke in die medizinisch unterstützte Fortpflanzung
Das Projekt fand heraus, dass eine erfolglose MAR dauerhafte, negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Erwachsenen und die Stabilität ihrer Beziehung hat. Nach der Geburt eines Kindes als Ergebnis einer MAR-Behandlung ist dies nicht der Fall. Außerdem stellten die Forschenden fest, dass Kinder, die über MAR gezeugt wurden, schlechtere Geburtsergebnisse haben, dass dies aber wahrscheinlich nicht auf die MAR-Behandlungen an sich zurückzuführen ist. Dies hängt hingegen eher mit der Unfruchtbarkeit zusammen. „Trotz des höheren Risikos schlechterer Geburtsergebnisse erzielen Kinder, die durch eine künstliche Befruchtung gezeugt wurden, im Durchschnitt bessere kognitive und schulische Leistungen als Kinder, die auf natürlichem Wege gezeugt wurden – hauptsächlich, weil sie aus begünstigten Familien stammen“, merkt Goisis an. Darüber hinaus ergab sich, dass die Herausforderungen hinsichtlich der psychischen Gesundheit von MAR-Jugendlichen gering und in allen Ländern gleich sind, und dass es in MAR-Familien keine Anzeichen für eine überfürsorgliche oder konflikthafte Erziehung gibt. Die Projektarbeit wurde in über 20 hochwertigen Fachzeitschriften veröffentlicht und auf führenden wissenschaftlichen Konferenzen vorgestellt.
Potenzieller Beitrag zu Leitlinien für die Fruchtbarkeitsbehandlung
Das Projekt MARTE konnte das Verständnis der Auswirkungen von medizinisch unterstützter Fortpflanzung auf Familien erweitern, indem es über die Ergebnisse im frühen Lebensalter und die engen medizinischen Rahmenbedingungen hinausgeht. „Unsere Arbeit fließt in die Leitlinien für Fruchtbarkeitsbehandlungen ein, unterstützt die psychosoziale Betreuung von MAR-Betroffenen, trägt zu öffentlichen und politischen Debatten bei und steht im Einklang mit den EU-Prioritäten für gesundheitliche Chancengleichheit, familiäres Wohlergehen und reproduktive Rechte“, fasst Goisis zusammen. Obwohl das vom Europäischen Forschungsrat(öffnet in neuem Fenster) unterstützte Projekt nun abgeschlossen ist, arbeiten Goisis und ihr Forschungsteam weiter. Neben der Verlängerung der Nachbeobachtungszeit der vom MAR-Projekt erfassten Kohorten bis ins Erwachsenenalter wird auch die Zusammenarbeit mit Klinikern und politischen Entscheidungsträgern gesucht, um die Projektergebnisse in die Beratung und Behandlung der betroffenen Personen zu integrieren.