Herzfunktion mit künstlichem Muskelgewebe wiederherstellen
Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern – unregelmäßige Herzschlagrhythmen, die den Blutfluss beeinträchtigen und das Risiko der Blutgerinnselbildung erhöhen –, werden jeweils mit einer schlechten mechanischen Funktion des Herzens in Verbindung gebracht. Vorhofflimmern zum Beispiel kann auftreten, wenn die oberen Herzkammern unregelmäßig und schnell schlagen, was einen unregelmäßigen Herzschlag verursacht. Zwar wurden Fortschritte in Hinsicht auf die Thromboseprävention und die Kontrolle elektrischer Fehlfunktionen bei Personen mit Vorhofflimmern erzielt, doch kann mit den gegenwärtig üblichen medizinischen oder chirurgischen Behandlungen häufig nicht die normale mechanische Muskelleistung wiederhergestellt werden.
Mechanische Herzfunktion wiederherstellen
Das Team des EU-finanzierten Projekts REPAIR(öffnet in neuem Fenster) arbeitete an der Bewältigung dieser Herausforderung, wobei die mechanische Funktion des Herzens unter Einsatz intelligenter Materialien unterstützt bzw. wiederhergestellt wird. Zu diesem Zweck wurde ein verbesserter künstlicher „Muskel“ auf der Basis eines Flüssigkristallelastomers entwickelt, der auf äußere Reize reagiert, um Bewegung oder Spannung zu erzeugen. „Das Projektkonsortium baute auf vorläufigen Ergebnissen der Nutzung von Flüssigkristallelastomeren unter Lichteinwirkung auf“, erklärt REPAIR-Projektkoordinatorin Elisabetta Cerbai von der Universität Florenz(öffnet in neuem Fenster) in Italien. „Durch Einwirkung von Licht mit einer bestimmten Wellenlänge kann das Material seine Form verändern und sich wie Herzgewebe zusammenziehen.“ Das Ziel des Projekts REPAIR lautete, Eigenschaften und Fähigkeiten von Flüssigkristallelastomeren aufzuwerten, um die Herzgesundheit besser zu unterstützen. Durch Zusammenführung von Fachwissen über Herzbiomechanik, Pathophysiologie und modernste intelligente Werkstofftechnologie konnte es erreicht werden. Es wurden intelligente Materialien auf der Basis von Flüssigkristallelastomeren und eine angeschlossene externe Steuereinheit entwickelt. Diese biokontraktile Einheit (Bio-Contractile Unit; BCU) moduliert die Menge der benötigten Lichtstimulation und fungiert als eine Art „abstimmbare“ herzunterstützende Vorrichtung. Der Prototyp wurde dann ex vivo in Tiermodellen demonstriert.
Effizientes Material auf Flüssigkristallelastomer-Basis
Dem Projektteam ist es gelungen, ein verbessertes energieeffizientes Material auf der Basis von Flüssigkristallelastomeren zu entwickeln, das bei Anregung durch Lichtquellen in die kontraktile Einheit integrierbar ist. „Wir haben unser Wissen darüber erweitert, wie wir diese Materialien optimieren können, damit sie sich ähnlich wie Muskelzellen zusammenziehen“, berichtet Projektkoordinatorin Camilla Parmeggiani von der Universität Florenz. „Wir beschleunigten außerdem die Herstellung der künstlichen Muskeln mittels 3D-Druck, sodass sie in großen Mengen problemlos zugänglich sind.“ Der Prototyp der externen Vorrichtung wurde ebenfalls erfolgreich entwickelt, obwohl weitere Arbeiten erforderlich sind, bevor sie in vivo erprobt werden kann. „Es gibt nichts, was mit dieser bahnbrechenden Vorrichtung vergleichbar wäre“, führt Parmeggiani weiter aus. „Es bedeutete eine große Anstrengung, ingenieurwissenschaftliche, technologische, chemische und biophysikalische Kompetenzen zu vereinen.“
Neue Generation herzunterstützender Vorrichtungen
Langfristig besteht die Hoffnung, dass mit erfolgreichen In-vivo-Versuchen einer neuen Generation von herzunterstützenden Vorrichtungen der Weg bereitet wird. Die im Rahmen des Projekts REPAIR erarbeitete abstimmbare externe Vorrichtung sowie die Möglichkeit, intelligentes Material mittels 3D-Druck an die individuellen Bedürfnisse anzupassen, bedeuten, dass Therapien auf bestimmte Betroffene zugeschnitten werden können. Zu den nächsten Schritten zählen die Integration von intelligenten Materialien(öffnet in neuem Fenster) mit Stammzellen und der Versuch, die Größe der externen Steuereinheit zu verringern. Das Konsortium prüft außerdem die Möglichkeit, die Technologie auf andere Gewebearten anzuwenden. „Diese Technologie könnte auf den Darm oder weitere Strukturen wie zum Beispiel Venen angewandt werden, bei denen sich das Gewebe zusammenziehen oder ausdehnen muss“, fügt Cerbai hinzu. Das Projektteam hat einen Großteil seiner Arbeit veröffentlicht(öffnet in neuem Fenster), und eine große Menge der Daten ist über das REPAIR-Forschungsinstrument für offene Daten(öffnet in neuem Fenster) frei zugänglich.