Den Kollagenmineralisierungsprozess in unseren Knochen entschlüsseln
Kollagen ist ein wichtiger Knochenbestandteil. Dieses lange, faserige Protein organisiert sich in Bündeln und wird mineralisiert, ähnlich wie Stahlbeton, der Struktur und Halt bietet. Die hierarchische Organisation des Kollagens in Form einer Matrix verleiht den Knochen ihre beeindruckenden mechanischen Eigenschaften. „Es ist robust, aber es lässt sich etwas biegen. Sie brechen sich nicht das Bein, wenn Sie gegen einen Couchtisch stoßen“, erklärt Nico Sommerdijk(öffnet in neuem Fenster), Professor im Fachbereich Medizinische Biowissenschaften am Radboud University Medical Center, einem Universitätsklinikum. Da es sich bei Kollagen jedoch um ein sehr hierarchisches Material handelt, tritt es an jeder Stelle anders in Erscheinung, was es erschwert, seinen Aufbau und seine Zusammensetzung zu verstehen. Wie die Kollagenmineralisierung abläuft, ist eine noch kniffligere Frage, die Sommerdijk und sein Team im Rahmen des Projekts COLMIN(öffnet in neuem Fenster) zu beantworten versuchten. Das Vorhaben COLMIN wurde vom Europäischen Forschungsrat(öffnet in neuem Fenster) finanziert. „Mein Ziel war, zu einem lebenden System zu gelangen, an dem ich sehen konnte, wie das Mineral und das Kollagen produziert werden und wie sie miteinander interagieren“, sagt Sommerdijk, „zu etwas, was ich ein ‚lebendes In-vitro-System‘ nenne.“
Einen „Mini-Knochen“ und einen „Knochen-auf-einem-Chip“ erschaffen
Um den Prozess der Knochenbildung zu verstehen, hat das COLMIN-Team ein knochenähnliches Gewebestück im Nanometermaßstab erschaffen, das dem echten möglichst nahe kommt. Die Forschenden regten Stammzellen dazu an, sich in knochenähnliche Zellen zu differenzieren, insbesondere in Osteoblasten, die für die Knochenbildung verantwortlich sind. Sie züchteten ein „Miniknochen“-Organoid mit einer Länge von weniger als 1,2 Nanometern, ein Gewebe, das dem ungeordneten und flexiblen jungen Knochen ähnelt. Sie konnten beobachten, wie das Gewebe die extrazelluläre Matrix aus Kollagen bildete, bevor es zur Mineralisierung kam. Dann untersuchten sie diese Prozesse mithilfe optischer Fluoreszenzmikroskopie. Um anschließend die 3D-Struktur zu analysieren, entwickelten sie ein System, das die Zellen während der Bildgebung am Leben erhält, wobei im Grunde ein „Knochen-auf-einem-Chip“ erschaffen wurde.
Fortschritte bei Mikroskopieverfahren
Bei der Kryoelektronenmikroskopie werden die Proben eingefroren, was es erschwert, das Gesuchte zu finden – ganz so, als würde man nur an der Oberfläche eines zugefrorenen Sees nach etwas tief im Inneren suchen, fügt Sommerdijk hinzu. Daher entwickelte ein Projektmitglied einen einzigartigen Probenhalter, mit dem vor dem Einfrieren ein Muster in die Probe einprägbar ist und somit im Wesentlichen eine Karte erstellt wird, mit deren Hilfe die 3D-Struktur erkundet werden kann. Dann wandten die Forschenden als weiteres Verfahren die Raman-Mikroskopie an, um die chemischen Informationen im Knochen zu erforschen. Das Team beschloss, ein Stück menschlichen Knochens zu demineralisieren, und konnte dank der Kombination seiner Bildgebungsverfahren die Remineralisierung beobachten. Es konnten verschiedene Arten der Mineralisierung in Knochenproben von Menschen mit Glasknochenkrankheit (Osteogenesis imperfecta) sichtbar gemacht werden, einer seltenen Erkrankung, bei der das Kollagen während seiner Produktion übermäßig modifiziert wird, was zu chaotischer Knochenbildung führt.
Die Glasknochenkrankheit verstehen
„Wir betreiben jetzt eine sehr detaillierte Folgestudie, in der wir zeigen, dass diese Übermodifizierung, die nur an wenigen Stellen stattfindet, große Auswirkungen darauf hat, wie das Kollagen in diese sehr hoch organisierte Struktur gelangen kann“, erklärt Sommerdijk. Ein weiterer wichtiger Fortschritt bestand in der Untersuchung, auf welche Weise ein Protein namens Fetuin, das Mineralien zu den Knochen transportieren kann, durch den Körper in die Zellen gelangt. „Wir konnten tatsächlich erstmalig einen biologischen Prozess in einem Flüssigphasen-Elektronenmikroskop beobachten“, berichtet Sommerdijk. Die Erkenntnisse des Projekts werden dazu beitragen, in der fortgeschrittenen Analyse der Knochenbildung einen Maßstab zu setzen und uns dabei helfen, diesen komplexen Prozess besser zu verstehen.