Viren wecken das Immunsystem von Kindern mit Hirntumoren auf
Dank der jüngsten Entwicklungen, über die in der Fachzeitschrift Frontiers in Immunology(öffnet in neuem Fenster) berichtet wird, könnten onkolytische Viren bald ein leistungsfähiges neues Instrument im Kampf gegen Krebs werden. Diese Viren sind so konstruiert, dass sie Tumorzellen infizieren und abtöten. Gleichzeitig regen sie das körpereigene Immunsystem dazu an, den Krebs zu erkennen und zu bekämpfen. In einer Tumorzelle angekommen, vermehrt sich das Virus und bringt sie zum Platzen. Dabei werden Viruspartikel und Entzündungssignale freigesetzt, die helfen, Immunzellen in die Tumorumgebung zu locken. Dieser duale Mechanismus stößt bei Krebserkrankungen Erwachsener auf zunehmendes Interesse, doch seine Anwendung bei pädiatrischen Hirntumoren bleibt aufgrund von Sicherheits- und Verabreichungsbedenken bislang weitgehend unerforscht.
Gentechnisch hergestelltes Virus gegen pädiatrische Hirntumore
Das vom Europäischen Forschungsrat (ERC) finanzierte Projekt ViroPedTher(öffnet in neuem Fenster) will untersuchen, ob onkolytische Viren sicher und wirksam bei pädiatrischen Patienten eingesetzt werden können und wie sie mit der einzigartigen Immunumgebung dieser Tumore interagieren. Das Herzstück der Therapie ist Delta-24-RGD(öffnet in neuem Fenster), ein modifiziertes Adenovirus. Es wurde so konstruiert, dass es selektiv Tumorzellen, die Defekte in einem gemeinsamen, als Retinoblastom-Protein(öffnet in neuem Fenster) bekannten Krebsweg haben, infiziert und sich in ihnen vermehrt. Zudem enthält das Virus auch eine spezielle Modifikation, das so genannte RGD-Motiv, das dem Virus hilft, effizienter in Tumorzellen einzudringen, indem es an bestimmte Oberflächenproteine bindet, die bei aggressiven Krebsarten häufig übermäßig stark vorhanden sind.
Vom Labortisch zum Krankenbett
Delta-24-RGD hat sich bei Gliomen von Erwachsenen als vielversprechend erwiesen. ViroPedTher ist jedoch die erste Initiative, die seine Verwendung bei Kindern untersucht, insbesondere durch direkte Injektion in den Tumor. Das Virus wurde zwölf Kindern mit Hochrisikohirntumoren verabreicht. Die im New England Journal of Medicine(öffnet in neuem Fenster) veröffentlichten Ergebnisse der Phase-I-Studie zeigten, dass die Therapie selbst im Pons, einem kritischen und empfindlichen Bereich des Hirnstamms, gut vertragen wurde. Am wichtigsten ist, dass die mediane Gesamtüberlebenszeit 17,8 Monate betrug, verglichen mit der Standardüberlebenszeit von 12-14 Monaten. Zwei Kinder überlebten länger als fünf Jahre nach der Behandlung, wobei eines von ihnen auch fast sechs Jahre später noch lebt.
Das Immunsystem „aufwecken“, damit es pädiatrische Tumore bekämpft
Eine der Herausforderungen bei pädiatrischen Hirntumoren besteht darin, dass viele von ihnen eine „immunstumme“ oder „kalte“ Mikroumgebung aufweisen. Diese Tumore sind oft mit myeloischen Zellen wie Mikroglia und Makrophagen gefüllt, besitzen aber kein T-Zellen, die normalerweise Krebs abtöten. ViroPedTher stellte fest, dass Delta-24-RGD dabei half, dies zu ändern. „Das Virus programmierte die Immunumgebung des Tumors um; aktivierte die myeloischen Zellen und lockte Lymphozyten in den Tumor, wodurch eine viel stärkere Immunantwort ausgelöst wurde“, erklärt die Projektkoordinatorin Marta Alonso(öffnet in neuem Fenster) von der Universität Cima in Navarra. Dieses Erwachen des Immunsystems ist ausschlaggebend. Indem es den Tumor von immunsuppressiv auf entzündlich umprogrammiert, hilft Delta-24-RGD dem Körper, den Krebs zu erkennen und seinen Angriff auf ihn aufrechtzuerhalten, auch nachdem das Virus verschwunden ist.
Künftige Behandlung bietet Präzision und Hoffnung
ViroPedTher konnte zeigen, dass die onkolytische Virotherapie, die seit langem bei Krebserkrankungen von Erwachsenen erforscht wird, für pädiatrische Hirntumoren sicher angepasst werden kann. Durch den Einsatz von Delta-24-RGD zur Zerstörung von Tumorzellen und zur Neugestaltung der Immunlandschaft öffnet das Projekt die Tür zu einer neuen Art der Behandlung, die sowohl Präzision als auch Hoffnung bietet. Nach Abschluss der ersten Studie arbeitet das ViroPedTher-Team nun an der nächsten Generation onkolytischer Viren. Diese neuen Kandidaten werden so konzipiert, dass sie den biologischen Merkmalen einiger der schwierigsten Krebsarten im Kindesalter besser entsprechen.